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Interview mit Spiegel-Redakteurin und Autorin Melanie Amann
Aufstieg einer Angstpartei

Die AfD hat die Bundesrepublik stark verändert. Im Parlament ist der Ton rauer geworden, political correctness war gestern. Der Erfolg der AfD scheint konstant und die Umfragewerte stabil. Eine Protestpartei, die vieles aufwühlt und die Grenzen des Rechtsstaats austestet.

Mit dem Einzug einer zwischen nationalkonservativ und rechtsextrem changierenden Partei im Deutschen Bundestag hat sich die politische Landschaft in Deutschland ebenso verändert wie das politische Klima des Landes. Indem sie sich aus Angst und Enttäuschung, Patriotismus und Freiheitsdrang speist, überwindet diese noch junge Partei mit einem gewissen Erfolg alle sozialen Gruppen und politischen Lager. Sie kann, so scheint es, Anhänger verschiedener Ideologien, Bildungsstandards und wirtschaftlicher Interessen sammeln. Was ihre Sympathisanten und Mitglieder eint, ist offenkundig primär die Ablehnung bestimmter Zustände, die bei ihnen das Gefühl von Unbehagen und Angst auslösen. Spiegel-Redakteurin und Autorin des Buches „Angst für Deutschland: Die Wahrheit über die AfD: wo sie herkommt, wer sie führt, wohin sie steuert“ Melanie Amann zählt zu den intimsten Kennern dieser Partei und ihren Akteuren und ließ die HSS einen Blick hinter die Kulissen werfen.

Das Interview führte Teresa Pfaffinger, HSS.

Zwei Frauen im Gespräch auf gegenübergestellten Ledersesseln sitzend. Links die Interviewerin, rechts Amann.

Dr. Melanie Amann (rechts) ist promovierte Juristin und Absolventin der Deutschen Journalistenschule. Sie hat für die FAZ und die FAS gearbeitet und ist seit 2013 Redakteurin im Spiegel-Hauptstadtbüro. Für ihn beobachtet sie die AfD. Sie pflegt Kontakte zu abtrünnigen und aktiven Mitgliedern der Parteiführung und zählt zu den intimsten Kennern dieser Partei. Im März letzten Jahres veröffentlichte sie das Buch „Angst für Deutschland: Die Wahrheit über die AfD: wo sie herkommt, wer sie führt, wohin sie steuert“ (Droemer Verlag, 2017).

HSS

HSS: Was sagen die Wahlerfolge der AfD über unsere Demokratie bzw. über ihre Wähler aus? Ist die AfD eine der zentralen Herausforderungen für unsere Demokratie - und wenn ja, warum?

Dr. Melanie Amann: Man kann sagen, dass es viele positive Seiten an der AfD gibt, weil sie Leute wieder animiert hat zur Wahl zur gehen, die sich jahrelang vom demokratischen System ferngehalten haben. Solange die AfD nicht von den Sicherheitsbehörden als verfassungswidrig eingestuft wird, muss man sie auch als Akteur im demokratischen System akzeptieren und darf sie, zumindest als Journalist, auch nicht bekämpfen. Ich sehe aber schon schwierige Seiten an der AfD als Partei, weil ich den Eindruck habe, dass sie ihren politischen Gegner auf eine Weise fertigmachen will, die nichts mehr mit normalen politischen Wettstreit zu tun hat und ich glaube auch, dass die AfD Kollateralschäden in der Gesellschaft erzeugt, durch eine Verrohung der Sprache, durch ausgrenzende Botschaften, die dazu führen, dass unsere Gesellschaft sich spaltet und das kann keiner Demokratie guttun.


HSS: Was war der Nährboden für diese starke Entwicklung der AfD? Hatten die etablierten Parteien bestimmte Themen unbesetzt gelassen? Was macht die AfD so attraktiv für ihre Wähler?

Augenscheinlich war das Gründungsthema der AfD nur der Euro, dass man eben vor allem als Professorenpartei gegen die Eurorettung kämpfen wollte. Aber ich glaube es ging den Parteigründern auch immer schon um mehr; es ging darum bestimmte gesellschaftliche, jahrzehntelangen Entwicklungen rück-abzuwickeln: Die 68er, die multikulturelle Gesellschaft, auch bis zu einem gewissen Grad die Europäische Union. Da gibt es Entwicklungen, die die AfD regelrecht revolutionär abräumen möchte, kulturrevolutionär kann man sagen, und es kamen dann mit der Zeit immer weitere Themen dazu, die der AfD in die Hände spielten und die die anderen Parteien unbearbeitet gelassen haben. Es gelang in der Migrationskrise nicht den Leuten die Angst vor den negativen Seiten der Migration zu nehmen. Es gelang den anderen Parteien nicht den Bürgern das Gefühl zu vermitteln, dass sie die Krise im Griff haben. Und es gelang vor allem CDU und CSU nicht den konservativen Wählern zu vermitteln, dass sie bei ihnen noch eine Heimat haben. So wie es auch der Sozialdemokratie nicht gelungen ist den sozusagen „kleinen“ Männern und Frauen eine politische Heimat zu bieten. Da wurde viel Wählerpotential vernachlässigt. 

Zwei Frauen im Gespräch auf gegenüber stehenden Ledersesseln sitzend. Links die Interviewerin (Pfaffinger), rechts Amann.

Die AfD will "[...]bestimmte gesellschaftliche, jahrzehntelange Entwicklungen rückabwickeln: Die 68er, die multikulturelle Gesellschaft, auch bis zu einem gewissen Grad die Europäische Union." (Melanie Amann)

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HSS: Wer sind ihre finanziellen Stützen?

Offiziell zählt vor allem der Rechenschaftsbericht, der nur an sehr kleinen Stellen ein paar verräterische Hinweise darauf gibt, dass es doch mehr zwischen den Zeilen gibt als man denkt. Offiziell hat diese Partei wie jede andere ihre Spender und ihre Einnahmen aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Tatsächlich hat die AfD es zur Perfektion gebracht die Graubereiche der Parteienfinanzierung zu nutzen. Sie profitiert sehr stark von anonymen Spendern, die ihr über einen Spenderverein Geld zukommen lassen. Das ist kein illegales Modell, aber es ist eben ein sehr fragwürdiges Modell für eine Partei, die eine Rechtsstaatspartei sein will und die, mit dem was sie da macht, jetzt aber die Grenzen eines Rechtsstaats austestet. Ich gehe schon davon aus, dass es schon auch dubiose Finanzkanäle bei der AfD gibt, bisher konnte ich aber keine juristisch harten Beweise dafür finden. Es gibt Verdachtsmomente, die den Parteichef Jörg Meuthen betreffen, die jetzt auch die Bundestagsverwaltung untersucht. Er hat von einer Agentur aus der Schweiz Plakatspenden und Zeitungsanzeigen gespendet bekommen und dies auch mit seiner Unterschrift angenommen. Ich glaube da werden wir noch einige interessante Entwicklungen sehen. 


HSS: Die AfD ist die drittstärkste Partei im deutschen Bundestag. Ist sie vielleicht die neue Volkspartei?

Wenn man Volkspartei so versteht, dass eine Partei sehr unterschiedliche Kreise an sich binden kann, sozialer und wirtschaftlicher Art, sprich, dass sie sehr unterschiedliche Gruppen in der gesamten Bandbreite der Gesellschaft abdeckt, dann kann man sagen, dass die AfD schon eine kleine Volkspartei ist. Man findet bei ihr sowohl Leute mit sehr niedrigen Bildungsstand und einfachen Berufen als Anhänger ebenso wie hochgebildete, wirtschaftlich erfolgreiche Personen. Das ist schon eine sehr große Bandbreite.


HSS: Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit von AfD und Pegida?

Das war lange ein sehr umstrittenes Thema. Frau Petry hat versucht nach einigem Zögern die AfD von Pegida fernzuhalten. Was man gut nachvollziehen kann, denn bei Pegida treffen sich auch offen rechtsradikale bis rechtsextreme Anhänger und ich weiß nicht ob es einer Partei gut tut mit einer Straßenbewegung so zu verschmelzen, aber mittlerweile ist das Verhältnis ganz offen und eng zusammen. Lutz Bachmann, der Pegida Chef, ist auch auf Veranstaltungen der AfD und AfD Redner reden ganz selbstverständlich auf Veranstaltungen von Pegida. Man merkt, dass da eine gewisse Seelenverwandtschaft innerhalb dieser Gruppen da ist. Der „verlängerte Arm“ auf der Straße ist gewollt. Es sagen immer wieder Führungsleute im Osten, dass man nicht erstarren dürfe im Parteiensystem, man muss offen bleiben für die Straße.


HSS: Frau Dr. Amann, vielen Dank für das Gespräch.

Außen- und Sicherheitspolitik
Andrea Rotter, M.A.
Leiterin