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Wahlen in Simbabwe
Aufbruch oder Stagnation?

Autor: Hanns Bühler

Wird es ein Kopf-an-Kopf Rennen zwischen Mugabe-Nachfolger Emmerson Mnangagwa und Nelson Chamisa, dem Hoffnungsträger der Opposition? Letzte Umfragen sehen das Regierungslager bei 40 und die die oppositionelle MDC bei 37% Zustimmung.

Nach dem vom Militär und der Bevölkerung erzwungenen Rücktritt von Robert Mugabe, der Simbabwe seit der Unabhängigkeit 1980 regiert hatte, wird heute, am 30. Juli, in Simbabwe gewählt. Der ehemalige Vizepräsident von Mugabe und jetzige Präsident Emmerson Mnangagwa, 76 Jahre, tritt gegen den 40-jährigen Oppositionskandidaten Nelson Chamisa an. Die Wahlen werden von der simbabwischen Bevölkerung und der internationalen Staatengemeinschaft mit Spannung erwartet. Ob die Opposition aber erstmals nach der Mugabe-Diktatur eine Chance hat, sich in wirklich freien und fairen Wahlen zu beweisen, muss bezweifelt werden. Der Staat hat massiv in den Wahlkampf und die Wahlvorbereitungen eingegriffen.

Tortendiagramme: Im Mai beklagten noch 82% der Befragten die Unmöglichkeit freier Meinungsäußerung. Im Juni waren es immer noch 76%.

Obwohl es im Vorfeld der Wahl nicht zu Gewalt gegen die Opposition gekommen war, beklagen die meisten Simbabwer, nicht frei und ohne Angst vor Repressalien ihre Meinung äußern zu können.

AFR; AFR

Wahlvorbereitungen von Unsauberkeiten überschattet

In Simbabwe sind ca. 5,5 Millionen registrierte Wähler aufgefordert an den Präsidentschafts-, Parlaments-, und Kommunalwahlen teilzunehmen. Sowohl die Regierungspartei ZANU-PF als auch die größte Oppositionspartei, die MDC-Alliance haben in den letzten Wochen dutzende Wahlkampfveranstaltungen abgehalten. Der ehemalige Vizepräsident von Mugabe und jetzige Präsident Emmerson Mnangagwa, 76 Jahre, tritt gegen den 40-jährigen Oppositionskandidaten Nelson Chamisa an. Erstmals seit 2002 hat die Regierung internationalen Wahlbeobachtungsmissionen Zugang gewährt. Die EU ist mit bis zu 140 Beobachtern vor Ort. Nach der Abschottungspolitik unter Mugabe spricht der neue Präsident Mnangagwa von der Öffnung seines Landes. Das einst wirtschaftlich so starke Land ist heute wirtschaftlich am Ende. Demokratische Institutionen fehlen. Generationen von Simbabwern litten und leiden unter Währungsverfall, Hyperinflation, grassierender Arbeitslosigkeit und Mangelwirtschaft. Städte und Infrastruktur sind in desolatem Zustand, Straßen oft kaum benutzbar. Die einstige Kornkammer des südlichen Afrikas konnte ihre Bevölkerung über viele Jahre kaum ernähren, unter anderem verursacht durch Landenteignungen, welche die landwirtschaftlichen Strukturen schwer beschädigt haben. Wahlbetrug, Gleichschaltung der Presse und gewalttätige Einschüchterung von Kritikern, die jede nennenswerte Opposition mundtot machen sollten, trugen dazu bei, dass von funktionierender Demokratie keine Rede sein konnte. Die Wahlen am 30. Juli werden damit auch zum Lackmustest für den von Präsident Mnangagwa versprochenen Reformprozess. 

Obwohl anders als bei den Wahlen von 2008 und 2013 bisher keine Gewalt angewendet worden ist, beklagt die Opposition erhebliche Unsauberkeiten bei den Wahlvorbereitungen und subtilere Einschüchterungsversuche. So wurden etwa tausende von Schülern oft widerrechtlich zu Wahlkampfveranstaltungen der regierenden ZANU-PF transportiert. Vielerorts sollen Teilnehmer gehindert worden sein, Kundgebungen der ZANU-PF frühzeitig zu verlassen, teils unter Androhung von Gewalt. Auch die simbabwische Wahlkommission (Zimbabwe Electoral Commission, ZEC), die laut Verfassung ihre Arbeit unabhängig verrichten sollte, steht in der Kritik. So haben sich im Vorfeld der Wahl nachweislich zahlreiche Wähler mehrfach oder mit gefälschten Identitäten registrieren lassen. Ein Team von Experten veröffentlichte am 19. Juli eine Analyse hierzu. 170.000 gefälschte Namen seien auf den Wählerlisten registriert und die tatsächliche Zahl liege möglicherweise noch höher. Die Opposition wirft der ZEC außerdem vor, Telefonnummern von registrierten Wählern zu Wahlkampfzwecken an die Regierungspartei weitergeleitet zu haben. Kritisch müssen auch die Pläne der Wahlkommission betrachtet werden, die Wahlkabinen bei der heutigen Abstimmung so zu drehen, dass die anwesenden Beobachter (dies können offizielle Wahlbeobachter, aber auch Vertreter von Parteien oder der ZEC sein) in die Kabinen schauen können. Viele Simbabwer sind von ihren Wahlerfahrungen aus den Jahrzehnten unter Mugabe traumatisiert. Die Kabinen so aufzustellen, kann unter Umständen erheblichen Druck auf die Wähler ausüben. Schon Tage vor der Wahl sollen Militärs in den Dörfern patrouilliert seien. Dies könnte als gezielte Einschüchterung gedeutet werden. Das Patronagen-Netzwerk der Regierungspartei und die Abhängigkeit vieler Wähler von regierungsnahen Unternehmen und Organisationen setzen diese sowieso schon unter Druck die Regierungspartei zu wählen. In einer aktuellen Umfrage von Afrobarometer geben 76 % der Befragten an, dass man in Simbabwe auch weiterhin sehr vorsichtig sein muss, wie man sich zu politischen Themen äußert. 

Große Menschenmenge in die selben "roten" T-Shirts  gekleidet. Offenbar Anhänger derselben Partei.

Die Regierungspartei ZANU-PF und die MDC-Alliance haben haben in den vergangenen Wochen dutzende Wahlkampfveranstaltungen abgehalten.

HSS

Unglaubliche 126 Parteien und 23 Präsidentschaftskandidaten treten bei den Wahlen am 30. Juli gegeneinander an. Diese hohe Anzahl zeigt auch, dass Parteien in Simbabwe oftmals als Mittel gesehen werden, um Zugang zu den einflussreichen Patronagen-Netzwerken zu bekommen und weniger, um sich für die Bürger des Landes einzusetzen.- Ein Vorteil der Regierungspartei besteht darin, dass die Opposition in sich gespalten ist und es auch diesmal nicht vermocht hat, sich auf einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten zu einigen. Eine Ausnahme bildet das Kooperationsabkommen zwischen der vor allem im Matabeleland verorteten ZAPU Partei unter Dumiso Dabengwa mit der MDC-Alliance ; es sieht auch vor, dass ZAPU-Wähler Nelson Chamisa als Präsidentschaftskandidaten unterstützen. Bis auf die MDC-Alliance werden die anderen Oppositionsparteien voraussichtlich keine entscheidende Rolle spielen. Im Falle eines knappen Wahlergebnisses wird sich jedoch die Frage stellen, ob die kleineren Parteien in eine Koalition mit der MDC oder der ZANU-PF eintreten werden.

Emmerson Mnangagwa

Er kam nach dem erzwungenen Rücktritt Mugabes, unterstützt von dem mächtigen simbabwischen Militär (Zimbabwe Defence Forces), an die Macht. Obwohl der Kontrahent Mugabes bei vielen damit zu diesem Zeitpunkt beinahe als der Retter in der Not galt, sollte nicht vergessen werden, dass auch ihm eine maßgebliche Beteiligung an den Massakern im Matabeleland in den 1980er Jahren zur Last gelegt wird − und dass er als enger Vertrauter Mugabes dessen Politik jahrzehntelang mitgetragen und vor allem auch mitgestaltet hat.

Seit der Amtsübernahme versucht der Präsident als Reformer aufzutreten. Beim Wirtschaftsforum in der Schweiz warb er um Auslandsinvestitionen, er bot einigen unter Mugabe enteigneten Farmern die Rückgabe von Ländereien an und schrieb in internationalen Zeitungen Artikel, die von Aufbruch und Demokratisierung sprechen. Vor seinem Amtsantritt sagte Mnangagwa:

„Mein Streben ist es, alle Simbabwer*innen in einer neuen Ära zu vereinen, in der Korruption, Inkompetenz, Pflichtvergessenheit und Faulheit sowie soziale oder kulturelle Dekadenz nicht toleriert werden. In diesem neuen Simbabwe ist es für jeden Einzelnen wichtig, sich die Hände zu reichen, damit wir diese Nation wiederaufbauen können zu ihrer ganzen Größe. Das ist keine Aufgabe für die ZANU-PF allein, sondern für alle Bürger Simbabwes.“ [Übers.]


[“My desire is to join all Zimbabweans in a new era where corruption, incompetency, dereliction of duty and laziness, social and cultural decadency is not tolerated. In that new Zimbabwe it is important for everyone to join hands so that we rebuild this nation to its full glory, this is not a job for ZANU-PF alone but for all people of Zimbabwe”]

Straßenzug mit Wahlplakaten

Zum ersten Mal seit dem Rücktritt von Robert Mugabe finden in Simbabwe Wahlen statt. Emmerson Mnangagwa, ein Zögling Mugabes, tritt gegen Nelson Chamisa an. Ein Kopf-an-Kopf Rennen wird erwartet.

HSS

Vertreter der Regierung erhoffen sich, dass mit der deklarierten Öffnung Simbabwes massive Auslandsinvestitionen ins Land strömen werden und die enormen wirtschaftlichen Herausforderungen gelöst werden können. Dafür ist die Lage jedoch möglicherweise viel zu komplex. Zwar ist der Fokus der Regierung auf Auslandsinvestitionen zur Überwindung der Liquiditätskrise verständlich, jedoch viel zu einseitig. Investoren werden entsprechende Rahmenbedingungen einfordern. Der Präsident hat bisher zwar viel davon gesprochen, diese zu schaffen, jedoch sind bisher keine Taten gefolgt. Es mangelt weiterhin an Rechtssicherheit, an nötigen Eigentumsrechten und Zugang zu Geld. Gleichzeitig sind die Lohnkosten zu hoch, um an die gerne angeführten erfolgreichen Erfahrungen asiatischer Länder (z.B. China) anzuknüpfen. Die Liquiditätskrise schwebt wie ein Damoklesschwert über dem Land. Lösungsansätze werden schwierig zu finden sein und möglicherweise nur mit Unterstützung des Internationalen Währungsfond (IWF) zum Erfolg führen. Eine Reform des Landwirtschaftssektors wäre dringend nötig, ebenso wie die Entwicklung von verlässlichen, rechtssicheren Rahmenbedingungen, um für das produzierende Gewerbe attraktiv zu werden. Simbabwe ist ein rohstoffreiches Land, das eine vergleichbar gut ausgebildete Bevölkerung vorzuweisen hat und gerne als Land mit großem Potential bezeichnet wird.

Auch wenn Mnangagwa es tatsächlich ernst meinen sollte mit seinen durchaus positiven Signalen, stellt sich immer noch die Frage nach der Rolle des Militärs, das von der Partei bzw. der Regierung nicht zu trennen ist. Experten sprechen von möglichen Spannungen zwischen Präsident Emmerson Mnangagwa und seinem Vizepräsident Constantino Chiwenga.  Chiwenga, 61 Jahre, ehemaliger Militärchef, hat den „Coup“ zur Absetzung Mugabes orchestriert, Mnangagwa also sozusagen zum Präsidenten gemacht und ist heute ein Vizepräsident, der noch jung genug wäre, um sich unter einer möglichen Mnangagwa-Präsidentschaft für die Wahlen in vier Jahren in Stellung zu bringen.

Nelson Chamisa

Der 40-jährige ist die einzige Hoffnung auf einen möglichen Wahlsieg der weiterhin gespaltenen Opposition, die über Jahrzehnte hinweg von der Regierungspartei unterdrückt wurde. Er trägt keine persönliche Verantwortung für die desaströse Lage, in der sich das Land befindet. Schon allein dadurch unterscheidet er sich von Präsidentschaftskandidat Mnangagwa. Mit seinen erst 40 Jahren könnte ihn die Jugend auch als Vertreter ihrer Generation sehen. Mit seiner Eloquenz begeisterte er im Wahlkampf bei seinen Auftritten mehrmals wöchentlich tausende von. Kritiker werfen ihm jedoch Unerfahrenheit und wirtschaftspolitische Inkompetenz vor, wozu einige als unsensibel und unüberlegt wahrgenommene Äußerungen Chamisas im Wahlkampf beigetragen haben könnten. Gerade auch die Umstände, unter denen sich Nelson Chamisa nach dem Tod von Morgan Tsvangirai zum Parteivorsitzenden gemacht hat, könnten Zweifel an seiner demokratischen Grundeinstellung laut werden lassen. Zunehmend wird jedoch positiv vermerkt, dass sich Chamisa auch öffentlich mit erfahrenen und als kompetent und integer geltenden Oppositionspolitikern umgibt und sich von ihnen kontinuierlich beraten lässt.

40% für die Regierungspartei, 37% für die Opposition vorausgesagt. Die Wahl wird knapp.

Ein knapper Wahlausgang wird erwartet. Problematisch sind die vielen gefälschten Identitäten und mehrfach eingetragenen Personen bei der Wählerregistrierung.

AFR; AFR

Aktuelle Umfragen prognostizieren ein Kopf an Kopf Rennen

In den letzten Monaten konnte Chamisa eine beeindruckende Aufholjagd starten. Wahlprognosen sehen Chamisa und seine MDC bereits bei 37%. ZANU-PF steht bei 40%, während 20% der Befragten sich nicht äußern wollen oder angeben, sich noch nicht entschieden zu haben. Dies ist vor dem Hintergrund der völligen „Waffenungleichheit“ zwischen der mächtigen Wahlkampfmaschinerie der Regierungspartei und der finanziell sehr schlecht ausgestatteten Opposition recht erstaunlich. Damit wird Chamisa zu einer ernsthaften Herausforderung für die ehemalige Mugabe-Partei.

Die Umfragen reflektieren auch, dass die Regierungspartei trotz der propagierten Öffnungspolitik mit einem enormen Vertrauensproblem zu kämpfen hat. Chamisa gilt bei vielen als einziger Hoffnungsträger für wirklichen Wandel.

Abgestimmt wird heute in bis zu 10.900 Wahllokalen, viele davon in schwierig begehbarem Terrain. Die Sorge der Opposition ist vor allem, was in den Wahllokalen geschieht, die nicht von den circa 300 internationalen Beobachtern überwacht werden. Oppositionsvertreter Senator David Coltarts Prognose ist, dass nur durch einen großen Sieg, einen „landslide victory“ der Opposition, diese auch als Gewinner aus den Wahlen hervorgehen könne. Sollte es ein knappes Wahlergebnis geben, dann werde dieses zu Gunsten der Regierungspartei gefälscht werden, so der Oppositionspolitiker.