Print logo

Kroatien
20 Jahre Sommerschule für Jungdiplomaten

Autor: Dr. Klaus Fiesinger

Seit 1998 treffen sich junge Diplomaten aus Mittel- und Südosteuropa in Dubrovnik, um über die Zukunft Europas zu diskutieren. Experten vermitteln rhetorische Fähigkeiten, diplomatisches Know-How, erklären EU-Institutionen und Entscheidungswege. Besonders wichtig ist aber: Hier werden neue Netzwerke und diplomatische Beziehungen geknüpft. Das stärkt die ganze Region.

Es war im Jahre 2005, dass Marija Pejcinovic-Buric, die damalige Staatssekretärin im Europa- und Außenministerium, auf der „Dubrovnik Summerschool“ für junge Diplomaten verkündete, die EU würde Beitrittsverhandlungen mit Kroatien aufnehmen. Als das Land acht Jahre später EU-Mitglied wurde, war die Seminarreihe der Hanns-Seidel-Stiftung immer noch beliebt und erfolgreich. Seit 1998 fördert das Format den Reformprozess staatlicher Institutionen und privater Initiativen in Kroatien und stärkt die Einbindung Kroatiens in internationale Strukturen. Mehr als 500 junge Diplomaten aus Kroatien und den angrenzenden Ländern haben inzwischen das Seminar durchlaufen.

Blick auf den alten Hafen Dubrovnic. Mauern, Sandstein, warm anmutendes Wasser mit sanften Wellen

Dubrovnik an der Adria: Viele der über 500 Jungdiplomaten, die die "Summerschool" durchlaufen haben, sind in Politik und Diplomatischem Dienst angekommen. Prominentester Absolvent ist Andrej Plenkovic, Ministerpräsident Kroatiens.

awakener; CC0; Pixabay

Promi-Alumnus: der Ministerpräsident Kroatiens

Viele der Seminarteilnehmer und Seminardozenten befinden sich mittlerweile in anerkannten und herausragenden diplomatischen oder auch politischen Positionen.  Prominentester Absolvent der „Summerschool“ ist der kroatische Ministerpräsident, Andrej Plenkovic. Schon 2003 war er als Mitarbeiter im Außen- und Europaministerium Dozent auf dem fünfjährigen Jubiläum der Seminarreihe.

Als Plattform für regionalen Dialog genießt die Summerschool ungebrochene Anerkennung und Beliebtheit bei den jeweiligen Diplomaten-Akademien. Ihre Ziele sind aktueller denn je:  Zum einen soll den Nachwuchsdiplomaten aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten und den EU-Beitrittskandidaten durch Vorlesungen und Diskussionen ein fundierter Einblick in die institutionellen Mechanismen und die EU-Agenda gewährt werden.
Zum anderen sollen in Workshops auch Verhandlungstechnik, Verhandlungsgeschick und Rhetorikkenntnisse erweitert und vertieft werden.

Info:

Bereits zum 20. Mal kamen vom 24. bis 27. September 2018 in Dubrovnik junge Diplomaten aus Mittel- und Südosteuropa zu einem Regional-Seminar mit dem Thema „European Integration Processes“ zusammen, um mit erfahrenen Experten aus Diplomatie, Politik und Wissenschaft praxisnah über die Zukunft Europas zu diskutieren. Die Seminarreihe, die im Jahre 1998 von der Hanns-Seidel- Stiftung in Kroatien initiiert wurde, wird jährlich als Kooperationsveranstaltung mit der Diplomaten-Akademie des kroatischen Außen- und Europaministeriums sowie mit dem Dubrovniker „Center for Advanced Academic Studies“ der Universität Zagreb (CAAS) durchgeführt.

List beim Vortrag, Hände engagiert nach vorne geworfen

Experten wie Dr. Andreas List vom „European External Action Service“ (EEAS) sprechen in Dubrovnik über aktuelle Probleme der EU, wie die vielen verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften, Migration oder die demographische Entwicklung in Südosteuropa.

HSS

Als Dozenten laden die Organisatoren jeweils ausgewiesene Experten und Spezialisten aus Politik, Diplomatie und Wissenschaft ein, wie zum Beispiel in diesem Jahr Dr. Andreas List vom „European External Action Service“ (EEAS), Professor Dr. Eckart Stratenschulte, ehemaliger Direktor der Europäischen Akademie in Berlin und jetzt geschäftsführender Vorstand der Deutschen Nationalstiftung, sowie Dr. Kristijan Kotarski von der Fakultät für Politische Wissenschaft der Universität Zagreb.

Fakten, Fähigkeiten und Netzwerkeffekt

Thematisch orientiert sich die Veranstaltungsreihe in Dubrovnik immer an aktuellen Fragen wie zum Beispiel der Harmonisierung von EU-Rechtsvorschriften, der Migration oder der demographischen Entwicklung Südosteuropas. In diesem Jahr stand die „Westbalkanstrategie“ der EU-Kommission im Mittelpunkt, hier vor allem die Frage, ob Serbien und Montenegro das postulierte Zeitlimit 2025 halten können.

Aber nicht nur harte Skills werden in Dubrovnik vermittelt. Der Netzwerkeffekt ist gerade in diplomatischen Kreisen entscheidend. Die persönlichen Kontakte, die in Dubrovnik zwischen den Seminarteilnehmern zustande kommen, haben über die Jahre zu stabilen Netzwerkstrukturen unter den Jungdiplomaten Mittel- und Südosteuropas beigetragen. Das lobte auch Josip Paro, Direktor der kroatischen Diplomatenakademie in Zagreb. Durch den persönlichen Kontakt würden Vorurteile abgebaut und der Dialog in der Region gefördert: „Das ist die Basis zur Förderung und Festigung der europäischen Integration“, so Paro.

Das Potential der jungen Bevölkerung und einer dynamischen Wirtschaft wird noch zu wenig wahrgenommen, sagte Dr. Klaus Fiesinger, Regionalleiter der HSS. Ihm geht es um ein besseres Image Kroatiens als Bindeglied zwischen Mittel- und Südosteuropa.

Das Potential der jungen Bevölkerung und einer dynamischen Wirtschaft wird noch zu wenig wahrgenommen, sagte Dr. Klaus Fiesinger, Regionalleiter der HSS. Ihm geht es um ein besseres Image Kroatiens als Bindeglied zwischen Mittel- und Südosteuropa.

Seit der Anfangszeit der Seminarreihe, als Kroatien vom Krieg noch schwer gezeichnet und außenpolitisch isoliert war, liegt der Fokus der Seminarreihe auch auf regionalem Marketing. Besonders der West-Balkan wird international immer noch eher als „Ethnisches Pulverfass“ gesehen. Das Potential der jungen Bevölkerung und einer dynamischen Wirtschaft wird dabei oft nicht wahrgenommen, sagt Dr. Klaus Fiesinger, Regionalleiter der HSS für Südosteuropa und Mitbegründer der „Dubrovnik-Summerschool“. Ihm geht es um ein besseres Image ganz Südosteuropas und besonders Kroatiens als stabilitätsfördernder Akteur zwischen Mittel- und Südosteuropa.

Die „Summerschool in Dubrovnik“ dient mittlerweile auch als Vorbild für andere Länder der Region. So veranstaltet die Hanns-Seidel-Stiftung gemeinsam mit dem Diplomaten-Institut in Sofia seit mittlerweile zehn Jahren die „Winterschule“ im bulgarischen Sandanski, die auf die Schwarzmeer-Region ausgerichtet ist.

Studenten diskutieren

Die jungen Diplomaten sollten die fünf wichtigsten Aspekte "europäischer Souveränität" auf den Punkt bringen. Ihr Ergebnis: Stärkung der Werte, mehr Sicherheit, engere Wirtschaftsunion, EU-Erweiterung fortsetzen und Stärkung der Rechtsstaatlichkeit.

HSS

HSS: War der Workshop „Verhandlungstechniken in der Diplomatie“ für Sie nützlich?

Marko Vrančić: Ich bin der Ansicht, dass der Workshop „aus mehreren Gründen ausgesprochen nützlich ist. Es werden dabei praktische Verhandlungsfertigkeiten weiter entwickelt, da nicht nur ausschließlich theoretische Postulate vermittelt werden. Dieser praktische Ansatz ist meines Erachtens nach gewiss eine der Bildungsformen ist, an denen es in Kroatien auf allen Ebenen mangelt.  Die Teilnehmer erlernen bei solchen Workshops nützliche und anwendbare Fertigkeiten und bekommen auch die Möglichkeit, sich verschiedener Aspekte der Verhandlungsführung bewusst zu werden. Daneben werden aktuelle Themen behandelt, sodass sie auch eine gewisse Menge an Informationen zu einem bestimmten Problem erhalten. Und ein weiterer Vorteil ist auf jeden Fall auch der interaktive Ansatz. So bekommen die Seminarteilnehmer die Gelegenheit, sich besser kennen zu lernen.  

HSS: In welcher Hinsicht war der Workshop „5 Szenarien der EU27“ für Sie von Nutzen?

Der Workshop ist sehr nützlich für jeden, der sich mit Verhandlungen und Diplomatie befasst. Obwohl er weniger auf konkrete Verhandlungstechniken und –verfahren ausgerichtet ist, trägt er zur Entwicklung praktischer Fertigkeiten bei. Für mich persönlich war er sehr nützlich, da ich verschiedene Szenarien der EU 27 kennengelernt habe und das möchte ich auch als wichtigsten Vorteil dieses Workshops hervorheben: die Teilnehmer haben auf eine unterhaltsame und für die Verhandlungsfertigkeiten nützliche Weise die komplexe Materie verschiedener Szenarien kennengelernt.

HSS: Herr Vrančić, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Seminarraum mit zwei langen Tischen und einem kurzen, also U-Form. Paro sitzt in der Mitte des kurzen Tisches allein, an den langen notieren sich Studenten etwas.

Josip Paro (Kopfende) lobt, dass durch den persönlichen Kontakt Vorurteile abgebaut und der Dialog in der Region gefördert werde. „Das ist die Basis zur Förderung und Festigung der europäischen Integration“, so der Direktor der kroatischen Diplomaten-Akademie in Zagreb.

HSS

EU-Ratspräsidentschaft

Wie stark die Staaten Südosteuropas inzwischen direkt und in führender Funktion in die Europäische Union eingebunden sind, zeigt die Tatsache, dass derzeit gleich drei Länder dieser Region im Zusammenhang mit der EU-Ratspräsidentschaft eine wichtige Rolle spielen: 

  • Bulgarien, EU-Mitglied seit 2007, hat während seiner Ratspräsidentschaft in der ersten Hälfte 2018 den Versöhnungs- und EU-Beitrittsprozess der Westbalkanländer an die Spitze seiner Prioritätenliste gesetzt.
  • Rumänien ist zeitgleich mit Bulgarien 2007 der EU beigetreten und wird die EU-Ratspräsidentschaft von Januar bis Juni 2019 innehaben.
  • Kroatien, das in diesem Jahr seine fünfjährige EU-Mitgliedschaft feiert, wird in der ersten Hälfte des Jahres 2020 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen und diese dann an Deutschland weiterreichen.

Gerade die Zeit der rumänischen Ratspräsidentschaft wird für die EU von besonderer Bedeutung sein. Dies nicht nur wegen der turnusmäßig im Mai 2019 anstehenden Wahlen zum EU-Parlament, sondern auch im Hinblick auf das kurz davor geplante Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs im rumänischen Sibiu (Hermannstadt). Dort sollen Zukunftsvisionen für eine grundlegend erneuerungsfähige EU diskutiert werden. 

Vor diesem Hintergrund wurden die Teilnehmer des diesjährigen Seminars gebeten, die fünf wichtigsten inhaltlichen Punkte zu erarbeiten, mit denen sich der Begriff „europäische Souveränität“ ihrer Meinung nach am besten charakterisieren lasse. Für die Teilnehmer aus Kroatien, Rumänien, Bulgarien, aus den Westbalkanstaaten sowie aus Staaten der mitteleuropäischen „Visegrad-Gruppe“ waren dies: 

  1. Stärkung der europäischen Werte
  2. Intensivierung der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
  3. Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion
  4. Fortsetzung der Erweiterungspolitik
  5. Stärkung der Rechtsstaatlichkeit innerhalb der EU 

Das nächste Seminar der Dubrovnik Summerscool wird nach einem möglichen Brexit und den Wahlen zum Europaparlament im Spätsommer 2019 stattfinden. Bis dahin dürfte sich die Europäische Union stark verändert haben, man befürchtet den Einzug zahlreicher gegenüber der EU kritisch bis feindlich eingestellter Parteien ins neue Parlament. Umso wichtiger wird es dann wieder sein, jungen Diplomaten aus Mittel- und Südosteuropa die Besonderheiten und Vorzüge des “Projektes Europa” nahezubringen, das uns trotz allem seit dem Beginn mit den Römischen Verträgen im Jahr 1957 Frieden, Stabilität und Prosperität gebracht hat.

Paro an einem Arbeitstisch vor HSS-Rollup sortiert Unterlagen.

Botschafter Josip Paro, Leiter der Diplomatenakademie des kroatischen Außen- und Europaministeriums, ehemaliger Botschafter in Washington und London, designierter Botschafter Kroatiens in Brüssel.

HSS

Interview mit Botschafter Josip Paro

HSS: Welche Bedeutung hat das Seminar in Dubrovnik für junge Diplomaten aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa und Kroatien?

Die Republik Kroatien unterstützt sehr aktiv die EU-Erweiterungspolitik. Wir sind der Ansicht, dass die Erweiterung der Europäischen Union, aber auch der NATO von immenser Bedeutung für die Stabilität Südosteuropas ist. Und das ist von strategischem Interesse für die Europäische Union, weil durch die EU-Erweiterung  zur Festigung und zum Aufbau wirtschaftlich wachsender, friedlicher, stabiler und demokratischer Systeme und Staaten beigetragen werden kann, die unsere gemeinsamen europäischen Werte teilen. Da die regionale Zusammenarbeit auch eine der Prioritäten im Bereich der kroatischen Außenpolitik ist, nehmen jedes Jahr am Seminar auch etwa zwanzig junge Diplomaten aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa  teil. Ziel des Seminars ist es, Einblick in die aktuellen Ereignisse und Veränderungen in der Europäischen Union zu gewähren und einen dynamischen und direkten Wissens- und Erfahrungsaustausch der Teilnehmer aus den Mitgliedstaaten, Beitrittsländern und potenziellen Beitrittsländern zu ermöglichen. Die Vorlesungen, Seminare und Workshops erfahrener Diplomaten, Universitätsprofessoren und Wissenschaftler ermöglichen eine inhaltsreiche und in der Regel interaktive Kommunikation mit jungen Diplomaten aus verschiedenen Ländern sowie einen dynamischen und direkten Wissens- und Erfahrungsaustausch.

HSS: Wie bewerten Sie die Rolle der Hanns-Seidel-Stiftung bei diesem Projekt?

Die zwanzigjährige Tradition dieses Seminars zeugt von seiner Bedeutung und Qualität. Es hat sich in Synergie mit der diplomatischen Geschichte der Stadt Dubrovnik als eines der wichtigsten Seminare für junge Diplomaten etabliert, bei den diplomatische Fertigkeiten und Fähigkeiten gefördert werden und ist zugleich auch der Beweis für die erfolgreiche und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der Diplomatenakademie des Ministeriums für auswärtige und europäische Angelegenheiten der Republik Kroatien und der Hanns-Seidel-Stiftung. Die Rolle der Stiftung bei diesem Projekt ist von großer Bedeutung, da sie neben der logistischen und finanziellen Unterstützung für das Seminar  auch europäische Referenten zu dieser Veranstaltung einlädt, was zugleich auch der Beweis dafür ist, dass sie im engeren und breiten Umfeld Kroatiens, also im Gebiet von der Ostsee bis zur Adria und zum Schwarzen Meer, einen großen Wiedererkennungswert hat. 

HSS: Herr Botschafter Paro, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Südosteuropa
Armin Höller
Leiter
Kroatien
Dr. Klaus Fiesinger
Projektleitung