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140. Geburtstag von Franz Sperr
Überzeugter Föderalist und Widerstandskämpfer

Autor: Katharina Köhn, M.A.

Der letzte Gesandte Bayerns (1933-1934) beim Deutschen Reich "war ein beredter, illusionsloser, unerschrockener Wortführer des legalen Widerstandes", der den Kampf für die Wahrung der Rechte der Länder und der Rechtsstaatlichkeit, gegen die Gleichschaltung des Freistaats Bayern und gegen das totalitäre Hitler-Regime mit seinem Leben bezahlte.

Franz Sperr vor dem Volksgerichtshof im Januar 1945.

Franz Sperr vor dem Volksgerichtshof im Januar 1945.

Gedenkstätte Deutscher Widerstand; Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Die Offiziers- und Beamtenlaufbahn des am 12. Februar 1878 in Karlstadt am Main in Unterfranken geborenen Franz Sperr verlief mustergültig. Nach dem Abitur in Ulm wurde er Berufsoffizier, besuchte die Kriegsakademie in München und machte schnell Karriere im Bayerischen Generalsstab. Der erste Kontakt nach Berlin entstand mit seiner Versetzung in den Großen Generalstab des preußischen Heeres am Ende des Jahres 1913. Der Erste Weltkrieg führte ihn mehrfach an die Front, aber auch in verschiedenste Verwaltungs- und Planungsstäbe des Heeres. Diese Erfahrungen wurden ihm nach Kriegsende nützlich, als er den aktiven Militärdienst verließ und in der Zivilverwaltung des Freistaates Bayern tätig wurde. Der Posten eines Ministerialrats im Bayerischen Staatsministerium des Äußeren führte ihn wieder nach Berlin, wo er 1932 zunächst kommissarisch die Leitung der Bayerischen Gesandtschaft und ab dem 1. März 1933 vollumfänglich das Amt eines Bayerischen Gesandten innehatte.

Berlin, Bayerische Gesandtschaft in der Vossstraße 1896

Berlin, Bayerische Gesandtschaft in der Vossstraße 1896

Public domain, via Wikimedia Commons; Public domain, via Wikimedia Commons

Der letzte Gesandte Bayerns

Bereits am 1. November 1934 zog sich Franz Sperr auf eigenen Wunsch von diesem Amt zurück, welches nicht nachbesetzt wurde und er somit der letzte Gesandte Bayerns beim Deutschen Reich war. Das am 30. Januar 1934 erlassene „Gesetz zum Neuaufbau des Reiches“ schuf die Länderparlamente, die nun der Reichsregierung direkt unterstellt waren. Für den überzeugten Föderalisten Sperr war dies der Todesstoß für die Souveränität Bayerns und der übrigen Länder. Zeitzeugen belegen, dass sich Sperr mit diesem Zustand nicht abfinden konnte und wollte. Allerdings war er durch den Erlass selbst machtlos geworden und konnte die Gleichschaltung Bayerns nicht verhindern. Sein Abschied war konsequent. Ihm eröffneten sich dadurch andere Wege, an den für ihn unhaltbaren Zuständen etwas zu ändern.

Der Weg in den Widerstand

Franz Sperr blieb nach seiner Rückkehr nach München also nicht untätig und ging aktiv in den Widerstand. Er suchte und fand Gleichgesinnte vor allem in ehemaligen Politikern der Weimarer Republik, die das Kriegstreiben und den Verlust der Rechtstaatlichkeit mit Sorge beobachteten. Neben der Bereitschaft, dem Hitler-Regime ein Ende zu bereiten, verbanden Sperr und seine Mitstreiter gemeinsame Ideen für den staatlichen Wiederaufbau nach dem Nationalsozialismus:

Einweihung der Gedenktafel für Franz Sperr in der Bayerischen Vertretung 2004

Einweihung der Gedenktafel für Franz Sperr in der Bayerischen Vertretung 2004

Bayernkurier; Bayernkurier, Nr. 30, 24.7.2004

Die Wiederherstellung der Souveränität der Länder also auch Bayerns, die Wiedereinführung der föderalistischen Strukturen und die Rechtsstaatlichkeit waren das Ziel. Doch Franz Sperr war nicht nur Beamter oder Politiker, das Fundament seines ethischen und moralischen Handelns war eine tiefe Verbundenheit mit dem katholischen Glauben. In München kam er so auch in Kontakt mit anderen Widerstandskämpfern und dem Jesuiten Pater Rupert Mayer. Zum Verhängnis wurden ihm seine Kontakte zu den Mitwissern um das Attentat vom 20. Juli 1944. Er wurde verhaftet und vor Gericht gestellt. Er gestand seine Mitwisserschaft am Attentatsplan, gab aber die Namen und Verbindungen zu anderen Widerstandsgruppen und Personen nicht Preis. Gefasst soll er das Todesurteil aufgenommen haben.

Franz Sperr wurde am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Anlässlich des 60. Jahrestages des Attentats vom 20. Juli 1944 wurde 2004 im Foyer der Bayerischen Vertretung im feierlichen Rahmen eine Gedenktafel für Franz Sperr enthüllt und ein Besprechungsraum nach ihm benannt.

ACSP; ACSP, NL Müller Josef : V 11

 

Berlin, den 24. Februar 1933

 

Seiner Hochwohlgeboren          
Herrn Ministerpräsidenten 
Dr. Held, München          

 

 

 

Hochverehrter Herr Ministerpräsident!     

          Gestern und heute habe ich mit dem Reichsminister Gürtner, Freiherr v. Neurath und Graf Schwerin von Krosigk Rücksprache genommen. Ich ging dabei davon aus, dass das Endziel des Kanzlers das faschistische, das Dritte Reich bleiben werde. In Preussen sei die faschistische Alleinherrschaft zum Teil schon erreicht; dass sie ganz erstrebt werde, zeigen die Reden, Verfügungen und Taten des Ministers Göring (vgl. auch die Anlage). Dazu kämen die Äusserungen Hitlers, Fricks und Görings, man werde, wie auch die Wahl ausfalle, nicht wieder von den erreichten Plätzen weichen. Die Befürchtung liege nahe, dass man über Preussen die Macht im Reiche an sich reissen wolle und weiterhin in den anderen Ländern. Die dauernden Drohungen Fricks, zuletzt in seiner gestrigen Hamburger Rede gingen in der gleichen Richtung und erhöhten natürlich die Beunruhigung aufs äusserste.

Es könne nach der Wahl sehr wohl eine Lage eintreten, in der der Reichspräsident, der erklärt habe, den Willen des Volkes achten zu wollen, mit Hilfe der Wehrmacht gegen die Nationalsozialisten werde vorgehen müssen. Noch halte ich die Wehrmacht für intakt, ob sie das auf die Dauer bleibe, wenn man die Dinge in Preussen so weiterlaufen lasse, sei fraglich. Unübersehbar könne die Entwicklung werden, wenn der Reichspräsident die Kraft zum Eingreifen nicht mehr finden würde.

Ich verwies weiterhin auf die tiefgehende Beunruhigung in den Ländern und bat, den Herrn Reichspräsidenten über die Vorgänge auf dem Laufenden zu halten, und den Moment eines etwa nötigen Einschreitens nicht aus dem Auge zu verlieren.

Von allen drei Ministern werden diese Sorgen geteilt. Man rechnet – besonders scharf Herr von Neurath – mit Versuchen eine faschistische Diktatur zu erreichen. Herr von Neurath hat, zusammen mit Herrn von Blomberg, mit dem Reichspräsidenten schon gesprochen. Dieser habe sich sehr gut orientiert gezeigt und selbst die lebhaftesten Besorgnisse geäussert. Nach der Wahl, meinte Herr von Neurath, werde wohl etwas geschehen müssen, wenn nicht Hitler sich besinne und seine jetzigen Mitarbeiter entferne. Zur Zeit sei wohl kaum etwas zu tun möglich, es sei selbst aussichtslos, die nationalsozialistischen Minister zu einer grösseren Zurückhaltung in ihren Wahlreden zu bewegen, man solle auf ihre Drohungen auch in der Presse nicht zu stark reagieren. Herr von Neurath bedauerte den jetzigen Zustand besonders auch als Aussenminister; er bringe ihm schwere Rückschläge auf allen Gebieten der auswärtigen Politik.

Alle drei Herren kamen von selbst auf die Königsfrage. Besonders gut orientiert zeigte sich Herr von Neurath, der, wie er mir sagte, gute Beziehungen zum Kronprinzen Rupprecht habe. Für Herrn von Neurath und Graf Schwerin nicht ganz so scharf für Herrn Gürtner möchte ich deren Stellung so formulieren: nicht das Ob steht in Frage, sondern nur das Wann und Wie. Nach Auffassung von Neurath´s dänge die Entwicklung zum Königtum; entscheidend sei es, dass dabei die Einheit des Reiches erhalten werde. Man könne nicht genug vor einem verfrühten Losschlagen – auch in Preussen liefen ähnliche Bestrebungen – warnen.

Die Herrn Fürst Oe. und Baron Redwitz sind noch hier; ersterer wird heute vom Reichspräsidenten empfangen. Sie haben mir gestern Abend endlich zugegeben, dass ich hundertprozentig recht gehabt habe, als ich ihnen gesagt habe, die Sache sei hier weder psychologisch und politisch vorbereitet; sie sei auch ohne äusseren Anlass nicht zu machen.

Herrn v. Krosigk habe ich noch wegen der Gerüchte über eine geplante Arbeitsdienstpflicht gefragt. Die Frage ist an ihn noch nicht herangebracht worden; er steht ihr absolut ablehnend gegenüber und sieht hierin nur einen Versuch, die SA etc. unterzubringen. Er fürchte, dass nach den Wahlen diese Frage und die Frage der erweiterten Arbeitsbeschaffung an ihn herangebracht werde; er stehe dann vor einem entscheidenden Entschluss.

Dienstag 28.ds. möchte ich mir gestatten, mich in München zu melden. 

Mit der Versicherung meiner vorzüglichsten Hochachtung bin ich sehr verehrter Herr Ministerpräsident, 

Euer Hochwohlgeboren ganz ergebenster

gez. Sperr

Eingangszitat über Franz Sperr aus: Das Gewissen steht auf. Lebensbilder aus Deutschen Widerstand, hg. v. Annedore Leber, Karl Dietrich Bracher, Mainz 1984, S. 362. 

Hermann Rumschöttel, Walter Ziegler (Historiker) (Hsg): Franz Sperr und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Bayern. 2001, C.H. Beck, 2001. 

Winfried Becker, Der bayerische Widerstandskreis um Franz Sperr und Otto Geßler, in: Europas Zukunft, hrsg, v. Ulrich Karpen, C.F. Müller Verlag, 2005, S. 33-51. 

Peter Pfister (Hsg): Franz Sperr: Blutzeugen der Erzdiözese München und Freising. Die Märtyrer des Erzbistums München und Freising in der Zeit des Nationalsozialismus. 1999, Regensburg 1999, S. 67-69.

Archiv für Christlich-Soziale Politik (ACSP), Politisch-historische Fachbibliothek
Katharina Köhn, M.A.
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