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Befreiung in Südtirol – Josef Müller und der politische Neuanfang

Autor: Katharina Köhn, M.A.

Der Mitbegründer der CSU Josef Müller wurde Frühjahr 1945 in in Niederdorf (Südtirol) gemeinsam mit anderen "Sippen- und Sonderhäftlingen" befreit. Die Erfahrungen seiner langen Haft flossen in seinen Überlegungen und Pläne für einen politischen Neuanfang ein.

Am 30. April 1945 befreite die Wehrmacht in Niederdorf (Südtirol) 139 sogenannte „Sippen- und Sonderhäftlinge“ aus den Fängen der SS. Der ehemalige österreichische Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg mit Ehefrau und Tochter, Mitglieder der Familie Wittelsbach und zahlreiche Angehörige um die Widerständler vom 20. Juli 1944, um nur einige zu nennen, waren Teil dieser Häftlingsgruppe. Für die SS waren die Geiseln ein wertvolles Faustpfand für eventuelle Verhandlungen mit den Alliierten. Dem Häftling Oberst Bogislaw von Bonin gelang es unbemerkt von den SS-Wachen, Kontakt zu einer nahegelegen Einheit der Wehrmacht aufzunehmen und um Hilfe zu bitten. Der herbeigeeilte Hauptmann Wichard von Alvesleben konnte die verunsicherten SS-Wachmannschaften zur Aufgabe bewegen.

Die Wehrmacht brachte die Befreiten im Hotel „Pragser Wildsee“ unter, wo diese bis zum Eintreffen der Amerikaner am 4. Mai 1945 beherbergt wurden. In der gesamten Zeit wurden sie von der Niederdorfer Bevölkerung und der Inhaberin des Hotels Emma Heiss-Hellenstainer umsorgt. Unter den befreiten Geiseln befand sich auch der spätere CSU-Mitbegründer und erste Landesvorsitzende Josef Müller, auch bekannt als „Ochsensepp“. Seine Erfahrungen aus der langen Haftzeit flossen in seine Pläne und Überlegungen für eine grundlegende Erneuerung politischer Entwürfe und in ein neues Parteikonzept ein. Gemeinsam mit Adam Stegerwald, Alois Hundhammer und Fritz Schäffer entwarf er den Plan für den Aufbau und die Gestaltung einer christlichen Volkspartei in Bayern. In den sogenannten „Mittwochs-Gesprächen“ in der Wohnung von Josef wurde an der Umsetzung der Ideen gearbeitet. Die konfessionell übergreifende Zusammenarbeit auf allen politischen Gebieten, die Überwindung von sozialen Gräben in der Parteiarbeit war nach Auffassung Müllers absolut notwendig. Nur in einer geistigen Erneuerung wäre die Chance gegeben, einen Teil der Ursachen für das Aufkommen des Nationalsozialismus zu verhindern. Die Grundidee einen Neubeginn auf Grundlage einer Demokratie mit einem starken Bekenntnis zu christlichen Wertvorstellungen war in den Nachkriegsjahren in vielen neuentstandenen politischen Vereinigungen zu finden.

Josef Müller - "Ochsensepp"

Josef Müller, das sechstes Kind einer oberfränkischen Kleinbauernfamilie geboren, arbeitete als Schüler in den Ferien als Tagelöhner und karrte mit einem Ochsenfuhrwerk Mist, was ihm seinen lebenslang mit Stolz getragenen Spitznamen „Ochsensepp“ einbrachte. Seit 1927 war er als Anwalt in München tätig. Seit 1920, bis zu ihrer Auflösung 1933, war er Mitglied der Bayerischen Volkspartei (BVP).
Im April 1943 wurde er wegen seiner Verbindungen in Widerstandskreise verhaftet. Er wurde freigesprochen, blieb aber in Haft und wurde im September 1944 in das berüchtigte Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin überführt. Zu Beginn des Jahres 1945 begann für Josef Müller eine Odyssee durch verschiedene Konzentrationslager, zweimal wurde er zur vermeintlichen Hinrichtung geführt. Im KZ in Dachau traf er mit einem Teil der anderen insgesamt 138 „prominenten SS-Geiseln“ zusammen. Am 26. April 1945 wurden sie nach Südtirol verschleppt. Die latente Bedrohung, Todesangst und Ungewissheit über das eigene Schicksal band die unfreiwillige Schicksalsgemeinschaft eng aneinander. So freundeten sich Wassilij W. Kokorin, der Neffe des sowjetischen Außenministers Molotow, und Josef Müller derart an, dass Kokorin ihm einen Schutzbrief an die Rote Armee ausstellte. Anfang Mai 1945 wurde Josef Müller von den Amerikanern nach Capri gebracht. Neben der körperlichen Erholung standen auch Gespräche mit den Amerikanern über politische Belange im Vordergrund. Am 18. Juni 1945 kehrte er in seine Heimat nach München zurück.

Mehr Informationen über Leben und Wirken von Josef Müller hier.

Mehr Informationen über die Geschichte des Hotels „Pragser Wildsee“.