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Indonesien
Spannende Superwahlen

Autor: Julia Berger

Indonesien ist aufgrund seiner Größe und seines Bevölkerungsreichtums mit mehr als 275 Millionen Menschen nicht nur innerhalb der Gemeinschaft Südostasiatischer Staaten (ASEAN) ein bedeutender Player, sondern auch in der gesamten der Indo-Pazifikregion. Nachdem der amtierende Präsident Joko Widodo nach zwei Legislaturperioden nicht wieder antreten kann, lohnt sich ein Blick, wer Indonesien in Zukunft regieren könnte.

 

Werbung der verschiedenen Parteien für ihre Kandidaten in der indonesischen Hauptstadt Jakarta.

Werbung der verschiedenen Parteien für ihre Kandidaten in der indonesischen Hauptstadt Jakarta.

Purnama Yantje

Am 14. Februar 2024 werden in Indonesien rund 204 Millionen Wähler ihre Stimme für einen neuen Präsidenten- und Vizepräsidenten sowie für Abgeordnete des Parlaments und der Landtage auf Provinz- und Distriktebene abgeben. Aufgrund der zunehmenden geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA richten sich auch die Blicke Europas und Deutschlands vermehrt auf diese Region.
Indonesien zu regieren ist zweifellos eine Herausforderung. Das Land erstreckt sich über mehr als 6.000 bewohnte Inseln und weist eine Vielfallt unterschiedlicher ethnischer Gruppen und Kulturen auf. Seit Ende der Suharto-Diktatur 1998 hat es sich zu einem demokratischen Mehrparteienstaat entwickelt. Keine politische Partei konnte in der Vergangenheit langfristig das politische System auf nationaler Ebene dominieren und die absolute Mehrheit im Parlament erreichen. Der Regierungsstil ist daher gekennzeichnet von immer wieder neuformierten Bündnissen verschiedener Parteien. Parteiwechsel sind nicht selten, da ideologische oder programmatische Inhalte eine geringe Rolle spielen. So können erbitterte Gegner vor der Wahl Koalitionspartner nach der Wahl werden. Vor diesem komplexen Beziehungsgeflecht wird der Wahlausgang mit Spannung erwartet. Drei Kandidatenpaare für das Amt des Präsidenten und Vizepräsidenten stehen zur Wahl.

Prabowo Subianto und Gibran Rakabuming

Mit einem Vermögen von US$ 128 Millionen ist Prabowo Subianto der wohlhabendste aller Kandidaten. Während des Suharto-Regimes bekleidete er von 1995 bis 1998 eine Schlüsselposition als Kommandeur der Spezialeinheiten der Armee (Kopassus). In dieser Funktion war Prabowo an verschiedenen militärischen Operationen beteiligt. Im Nachhinein sah er sich deshalb mit Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen konfrontiert. Als Vorsitzender der Gerinda-Partei, die er 2008 mitbegründete, bewirbt er sich das dritte Mal um das Amt des Präsidenten, nachdem er 2014 und 2019 gegen den amtierenden Präsidenten Joko Widodo scheiterte. Er tritt zusammen mit Gibran Rakabuming als Vizepräsidentschaftskandidat an.

Derzeit führt dieses Paar in Umfragen das Rennen an. Ob der Vorsprung für einen Sieg in der ersten Runde ausreicht, oder ob es zu einer Stichwahl im Juni kommen wird, ist offen. Die große Popularität des Paares wird u.a. darauf zurückgeführt, dass Gibran der Sohn von Präsident Widodo ist. Letztgenannter erfreut sich in Umfragen auch am Ende seiner Amtszeit noch großer Zustimmung. Die Benennung seines Sohnes als Vizekandidat war allerdings von Kontroversen begleitet, da das Verfassungsgericht das Mindestalter für Vizekandidaten erst kurz vor der Nominierungsfrist so absenkte, dass eine Kandidatur des 36-jährigen Gibran möglich wurde. Das Verfahren wurde vom ehemaligen Vorsitzenden des Verfassungsgerichtes, Anwar Usman, geleitet, der zugleich auch Gibrans Onkel ist.     

Eine Wahlkampagne der PDI-P, der Indonesischen demokratischen Partei des Kampfes, wird von Bikern unterstützt.

Eine Wahlkampagne der PDI-P, der Indonesischen demokratischen Partei des Kampfes, wird von Bikern unterstützt.

Purnama Yantje

Ganjar Pranowo und Mohammad Mahfud Mahmodin

Im Gegensatz zu vielen namenhaften Politikern stammt Ganjar Pranowo aus keiner politisch einflussreichen Dynastie. Ganjar begann sich während seines Studiums politisch zu engagieren und trat der PDI-P (Partai Demokrasi Indonesia Perjuangan – Indonesische demokratische Partei des Kampfes) bei, welche derzeit die meisten Sitze im Nationalparlament auf sich vereint. Er vertrat von 2004 – 2013 die Partei im Parlament und gewann 2013 die Gouverneurswahl von Zentraljava.

Sein Vizekandidat Mohammad Mahfud gehört zu den kenntnisreichsten Politikern des Wahlkampfes mit Erfahrungen in der Exekutive, Legislative und Judikative. Mahfud unterhält gute Beziehungen zur Nahdlatul Ulama (NU), einer der größten muslimischen Vereinigungen in Indonesien mit moderater Ausrichtung. Im Wahlkampf fiel Ganjar vor allem durch seine Zurückhaltung auf, Kritik gegenüber seinen Mitstreitern auszuüben. In Hintergrundgesprächen wird er daher bisweilen als „zu blass“ beschrieben, während die mächtige Vorsitzende seiner Partei, die frühere Präsidentin Megawati Soekarnoputri, den Ruf besitzt, im Hintergrund die Fäden der Politik zu ziehen. Anders als seine Konkurrenten hatte Ganjar zudem nie ein Ministeramt auf nationaler Ebene inne, was seine Bekanntheit unter Wählern außerhalb Javas einschränkt.

Anies Baswedan und Muhaimin Iskandar

Anies tritt als parteiloser Kandidat mit Unterstützung eines Koalitionsbündnisses aus vier Parteien an, von denen drei dem religiös-muslimischen Spektrum zuzuordnen sind. Er gilt als Erzrivale Widodos, seit er unter dessen Regierung 2016 bei einer Kabinettsumbildung den Posten des Bildungsministers verloren und anschließend 2017 einen erbitterten Wahlkampf um die Position des Gouverneurs von Jakarta geführt hatte – gegen Widodos engen Vertrauten Basuki Tjahaja Purnama. Anies konnte die Wahl in zweiter Runde gewinnen, nachdem er sich mit populistischen Aussagen zu Basukis christlicher Konfession und seiner chinesischen Abstammung die Unterstützung konservativer Nationalisten gesichert hatte. Unter religiösen oder ethnischen Minderheiten daher wenig beliebt, gilt er bei moderaten Muslimen häufig nicht als Hardliner, aber als Opportunist. Im aktuellen Wahlkampf präsentiert sich Anies als wesentlich gemäßigter und weltoffener.

Sein Vizekandidat Muhaimin Iskandar könnte durch seine Nähe zur NU eher moderate Muslime als Wähler ansprechen, sowie Stimmen aus den ländlichen Teilen Javas, der bevölkerungsstärksten Insel Indonesiens, gewinnen.

Ausblick in die Zukunft und Bedeutung für Deutschland

Sollte kein Kandidatenpaar die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen, wird im Juni 2024 eine Stichwahl abgehalten werden. Die Regierungs- und Parlamentsbildung erfolgt im Oktober. Es ist unwahrscheinlich, dass sich im Anschluss in wesentlichen Interessensgebieten der deutschen Außenpolitik große Veränderungen ergeben werden. Indonesiens Außenpolitik ist seit der Unabhängigkeit von politischer Neutralität geprägt, einer Linie, die auch in Zukunft weiterverfolgt werden dürfte. Gerade in weltpolitisch unruhigen Zeiten besitzt Indonesien das Potenzial, in der Indo-Pazifikregion ausgleichend auf Spannungen zu wirken und so zur Stabilisierung beizutragen.

Auch in der Ausrichtung der Wirtschaftspolitik ist kein massiver Umschwung zu erwarten, obwohl tendenziell unterschiedliche Ideen über die regulatorische Rolle des Staates unter den Kandidaten existieren. Die neue Regierung wird weiter auf Wirtschaftswachstum und Armutsreduzierung durch Down Streaming von Fischerei- und Landwirtschaftsprodukten sowie durch Abbau von Mineralien setzen. Bereits jetzt ist Indonesien Mitglied der G20. Prognosen zufolge wird das Land 2050 global die viertgrößte Volkswirtschaft sein, einen Platz vor Deutschland.

Nach der Wahl wird es wichtig zu beobachten sein, welche Fortschritte Indonesien in der Energiewende unter der neuen Regierung erzielen kann und wie sich die Ausgestaltung des Rechtsstaates weiterentwickelt.

Trotz der geografischen Distanz zu Deutschland ist es essenziell, Indonesiens Entwicklung im Auge zu behalten. Der Staat spielt nicht nur innerhalb von Südostasien eine Schlüsselrolle, sondern auch im globalen Kontext - sei es in Bezug auf Klimawandel und biologische Vielfalt, als zukünftige Wirtschaftsmacht oder als stabilisierender Faktor. Deutschland und Europa sollten daher ihre Beziehungen zu diesem strategisch wichtigen Partner intensivieren, um gemeinsame Herausforderungen anzugehen und Chancen zu nutzen.

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Projektleitung: Julia Berger
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