Die transatlantischen Beziehungen stehen vor einer zunehmend herausfordernden Phase, die von verschiedenen geopolitischen Entwicklungen geprägt ist. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat nicht nur die Sicherheitslage in Europa erschüttert, sondern auch die Grundsätze territorialer Integrität und nationaler Souveränität in Frage gestellt. Gleichzeitig verfolgt China eine expansivere globale Agenda, die sich in seiner wachsenden wirtschaftlichen und politischen Einflussnahme auf internationaler Ebene zeigt.
Diese Entwicklungen tragen zu einem sich verschiebenden Machtverhältnis bei, das die traditionelle transatlantische Allianz herausfordert. Im Kontext der bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen und der damit verbundenen Ungewissheit für die Zukunft stehen die transatlantischen Partner vor der Aufgabe, den neuen Herausforderungen wirksam zu begegnen.
Vor diesem Hintergrund organisierte die Hanns-Seidel-Stiftung für junge engagierte Experten eine Delegationsreise zum Thema 'Transatlantische Beziehungen' nach Washington DC. Durch Gespräche mit politischen Akteuren und amerikanischen Think-Tanks sollten die Teilnehmer Einblicke in die politische Landschaft vor Ort gewinnen und zukünftige Entwicklungen der transatlantischen Beziehungen erkunden.
Sowohl auf europäischer als auch auf amerikanischer Seite herrscht Einigkeit darüber, dass der Krieg in der Ukraine weiterhin ein zentraler Punkt der Außen- und Sicherheitspolitik bleiben wird. Doch rücken in den USA, insbesondere im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen, auch andere Themen auf die Agenda, wie beispielsweise die ungelöste Migrationsfrage, die politische Aufmerksamkeit verlangen. Die Zukunft der langfristigen Unterstützung der Ukraine durch die USA ist somit ungewiss und hängt stark von den Wahlergebnissen ab. Diese Unsicherheit macht ein starkes Europa umso wichtiger, das auch unabhängig von den USA in sicherheitspolitischen Fragen handlungsfähig ist.
Über politische Lager hinweg dominiert in den Vereinigten Staaten der strategische Konflikt mit China die sicherheitspolitischen Debatten. In aktuellen Diskussionen wird deutlich, dass die sogenannte "De-Risking"-Strategie des Westens in Bezug auf die komplexe Beziehung zu China zu einem zentralen Thema avanciert. Washington drängt auf eine klare Positionierung Europas, insbesondere von deutscher Seite. Je weiter die wirtschaftlichen Verflechtungen zu China reichen, desto schwieriger werden diese zu lösen sein. Darüber hinaus betonen amerikanische Politiker, dass der Konflikt um Taiwan ebenfalls nicht aus dem Blick geraten darf. Auch wenn dieses Thema weiter hinten auf der Tagesordnung steht, so könnte es in den kommenden Monaten durchaus zu einem Gegenstand geopolitischer Herausforderungen werden, der einen erheblichen Einfluss auf die transatlantischen Beziehungen haben könnte.
Während in Deutschland lebhafte Diskussionen über eine mögliche Wiederwahl von Ex-Präsident Donald Trump geführt werden, herrscht in den USA eine Atmosphäre des Abwartens. Die Prognosen für die bevorstehenden Wahlen lassen keine klare Vorhersage zu, denn vieles hängt von den sogenannten „Swing States“ ab, zu denen üblicherweise Georgia, Arizona, Pennsylvania und Wisconsin zählen. Diese umkämpften Bundesstaaten gelten als politisch ausgeglichen und können den Ausschlag für den Wahlsieg des einen, oder des anderen Kandidaten geben. US-Politiker vermuten, dass im Fall einer Wiederwahl von Donald Trump einige Veränderungen in der inneren politischen Landschaft der Vereinigten Staaten eintreten könnten. Doch trotz möglicher interner Verschiebungen geht man davon aus, dass die transatlantischen Beziehungen nicht so stark beeinträchtigt werden würden, wie von vielen befürchtet.
Deutschland bleibt für Amerika der wichtigste Ansprechpartner in Europa, doch von US-Seite gibt es auch klare Erwartungen. Vor allem wird die Notwendigkeit einer stärkeren deutschen Führungsrolle innerhalb Europas betont, die eine selbstbewusstere Außenpolitik verfolgt. Deutschland müsse noch mehr tun, um sich als strategischer Garant seiner eigenen sowie der europäischen Sicherheit zu beweisen, meinen unsere amerikanischen Partner. Dadurch, und durch eine intensivere Entkopplung von China, wird Deutschland in der Lage sein, eine stärkere Präsenz als globaler Akteur einzunehmen und mit den USA eine Partnerschaft pflegen zu können, die auch ungeachtet der Wahlergebnisse im kommenden Herbst Bestand hat.
Autorin: Tsira Kvachantiradze, HSS-Stipendiatin