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Historische Abwahl von Kevin McCarthy
Parlamentskrise mit Ankündigung

Autor: Christian Forstner

Zum ersten Mal in der US-Geschichte wurde ein Parlamentssprecher abgewählt. Um Kevin McCarthy des Amtes zu entheben, reichten wenige Stimmen des radikalen Flügels der Republikanischen Partei zusammen mit den Demokraten. Eingebracht hatte den Antrag der Trump-Anhänger Matt Gaetz.

Es war ein Pakt mit dem Teufel, den Kevin McCarthy im Januar 2023 einging. Um Parlamentspräsident zu werden, musste er alle Stimmen seiner Fraktion hinter sich bringen, auch die gut 20 Abgeordneten des extrem rechtspopulistischen Trump-Flügels. Nach seinem überraschenden Haushaltsdeal mit den Demokraten, um einen drohenden Government Shutdown zu verhindern, wurde McCarthy jetzt abgesägt.

Polarisierung und Polemik drohen US-Institutionen zu dysfunktionalen Organen zu machen.

Polarisierung und Polemik drohen US-Institutionen zu dysfunktionalen Organen zu machen.

Krise des US-Parlamentarismus und der US-Politik insgesamt

Die Abwahl von Kevin McCarthy verstärkt die Krise des US-Parlamentarismus. Die Brüche innerhalb der Republikanischen Partei sind augenscheinlich. Ein rechtspopulistischer Trump-Flügel steht sich einem Mainstream-Establishment-Lager gegenüber. Den Trump-Populisten geht es um Fundamentalopposition. Sie wollen den Staat kleinkriegen, alle Ausgabenprogramme drastisch runterfahren und die US-Außenpolitik auf eine kompromisslose America First-Politik ausrichten. Das Mainstream-Lager hat viele Positionen der Populisten übernommen. Unter Trump wurde die Republikanische Partei zur Trump-Partei. In einem Punkt unterscheiden sich aber Mainstream-Republikaner von extremen Rechtspopulisten: Establishment-Republikaner treten für institutionelle Stabilität ein und erkennen die außenpolitische Verantwortung Amerikas an. Der Machtkampf bei den Republikanern wird solange dauern, wie Donald Trump ein bestimmender Faktor der Republikanischen Partei ist.

Eine radikale, rechtspopulistische Minderheit der Republikaner hat der Establishment-Mehrheit ihren Willen aufgezwängt und bringt den US-Kongress an den Rand seiner Funktionsfähigkeit.

Amerikas politische Institutionen sind in der Krise. Das Ansehen des US-Kongresses ist im Sinkflug. Amerika hat große Aufgaben vor sich, innenpolitisch und außenpolitisch. Dazu braucht es handlungsfähige Institutionen. Blickt man auf ein mögliches Re-Match im November 2024 zwischen einem umstrittenen Donald Trump und einem immer weniger amtsfähig scheinenden Präsidenten Joe Biden, wird einem das Ausmaß der politischen Krise Amerikas deutlich.

Längerfristige Trends in der US-Politik

Zum ersten Mal in der Geschichte Amerikas wurde ein Speaker abgewählt. Die Krise des US-Parlamentarismus ist nicht neu. Sie ist das Ergebnis von längerfristigen Trends in der amerikanischen Politik.

  • Wahlergebnisse sind knapp. Dies gilt für Präsidentschaftswahl genauso wie für Kongresswahlen. Knappe Mehrheiten machen das Regieren schwer.
  • Knappe Mehrheiten verleihen den politischen Rändern mehr Gewicht. Es kommt auf jede Stimme an.
  • Die Öffentlichkeit lebt in politischen Echokammern, in der die eigene Meinung verstärkt wird und in der es keinen Raum für den politischen Diskurs mit Andersdenkenden gibt.
  • Das amerikanische 2-Parteiensystem basiert auf zwei Parteien, die in sich sehr heterogen sind. Die eigentliche Koalitionsbildung findet vor der Wahl statt. Nach einer Wahl brechen die Flügelkämpfe auf.
  • Der Einfluß der Parteiführung auf die Kandidatenauswahl vor Ort ist gering. Die Machtbasis populistischer Kandidaten liegt in ihrem Wahlkreis.
  • Die überwältigende Mehrheit der Wahlkreise ist in fester Hand entweder der Demokraten oder der Republikaner. Die politische Gefahr kommt nicht vom politischen Gegner, sondern aus den eigenen Reihen vom Parteifreund. Politik radikalisiert sich.
  • Die Polarisierung in der US-Politik und die Wandlung der Parteien zu Glaubenssekten, die den politischen Gegner für den Untergang Amerikas halten, machen eine Kompromissfindung in der politischen Mitte fast unmöglich. Wahlen sind nicht ein Regierungsauftrag auf Zeit, sondern Schicksalsschlachten um das Land.
  • Polarisierung und Polemisierung machen politische Institutionen zu dysfunktionalen Organen.

Kontakt

: Dr. Wolf Krug
Leiter
Institut für Europäischen und Transatlantischen Dialog
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