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Ecuador hat gewählt
Friedliche Wahlen in Ecuador

Autor: Valeria Mouzas

Am Sonntag, den 15. Oktober 2023, fand in Ecuador die Stichwahl der vorgezogenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Die Wahlen verliefen friedlich und der Sieger ist Daniel Noboa, der neue Hoffnungsträger Ecuadors.

Aufgrund der letzten blutigen Ereignisse wurden 50.000 Polizeibeamte bereitgestellt, um die Sicherheit der Wähler und Kandidaten zu gewährleisten.

Aufgrund der letzten blutigen Ereignisse wurden 50.000 Polizeibeamte bereitgestellt, um die Sicherheit der Wähler und Kandidaten zu gewährleisten.

©HSS

Nach dem ersten Wahlgang der außerordentlichen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im August fand am Sonntag die Stichwahl zwischen Luisa González und Daniel Noboa statt. Auch diesmal  verlief der Urnengang ohne Zwischenfälle, allerdings hat das Andenland aufgrund der letzten blutigen Ereignisse 50.000 Polizeibeamte bereitgestellt, um die Sicherheit der Wähler und Kandidaten zu gewährleisten. Mit 51,83 Prozent der Stimmen ging Daniel Noboa als Wahlsieger hervor, welcher mit einer Hupparade auf den Straßen Ecuadors gefeiert wurde. Er ist der neue Hoffnungsträger einer politikmüden Bevölkerung, so wie es zu seiner Zeit sein Vorgänger Guillermo Lasso war. Wie sich herausstellte, war dieser den Anforderungen des Amtes nicht gewachsen und hinterlässt das Land in einem Umfeld der Unsicherheit, der internen Unruhen - vor allem nach der Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio - und einer zunehmenden Migrationswelle von Ecuadorianern ins Ausland.

Unsicherheit

Die Gewalt in Ecuador hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Zwischen 2022 und 2023 gab es 88 Anschläge auf politische Akteure. Während der vorgezogenen Wahlen zählt das Land 21 Angriffe, sechs davon endeten tödlich. Elf Tage vor dem ersten Wahlgang wurde nach einer Kundgebung im Zentrum der Hauptstadt der Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio erschossen. Der Politiker hatte seine Kampagne rund um den Widerstand gegen die Korruption und Mafia aufgebaut. Wenige Tage vor seiner Ermordung hatte er nach eigenen Angaben Drohungen erhalten.

Der künftige Präsident des äquatorialen Landes steht vor vielfältigen Aufgaben, die bewältigt werden müssen.

Der künftige Präsident des äquatorialen Landes steht vor vielfältigen Aufgaben, die bewältigt werden müssen.

©HSS

Die politische Ausgangslage

Das Land am Äquator steht vor zahlreichen Herausforderungen, denen sich der neue Präsident stellen muss. Das Naturphänomen El Niño wird voraussichtlich im Dezember und Januar verheerende Ausmaße haben. Die steigende Kriminalität und die fehlenden Arbeitsplätze führen zu einer steigenden Migrationswelle. Außerdem wird offiziell von einem Haushaltsdefizit von 3500 Millionen US Dollar gesprochen, die Hochrechnung der Gesellschaft für Studien der Entwicklung (Corporación de Estudios para el Desarrollo - Cordes) sieht ein Defizit von 5000 Millionen US Dollar voraus, was unter anderem die Gehaltszahlungen der ecuadorianischen Beamten aufs Spiel setzt.

Noboa wird sein Amt voraussichtlich im Dezember antreten und aus seinem Lager kommt bereits die Meldung, dass in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit eine Bürgerbefragung zu den Themen Unsicherheit und Wirtschaft geplant ist. Präsident Noboa wird keine vierjährige Amtszeit haben, sondern die Amtszeit seines Vorgängers Guillermo Lasso beenden. Dies bedeutet, dass er bis zum 24. Mai 2025 regieren wird und keine Zeit zu verlieren hat, um die Situation des Landes zu verbessern, wenn er eine Wiederwahl anstrebt.

Zuvor muss Noboa jedoch ein regierbares Klima in der ecuadorianischen Nationalversammlung schaffen, das derzeit nicht gegeben ist. Die Ergebnisse der Parlamentswahlen haben einen Einzug von nur 14 Abgeordneten seiner Partei, der „Nationalen demokratischen Aktion“ (Acción Democrática Nacional - ADN), von insgesamt 137 Sitzen in der Nationalversammlung erlaubt. Noboa, der über keine politische Plattform verfügt, die ihn unterstützt, befindet sich also in der Minderheit. Der Correismo, die politische Bewegung um Präsident Rafael Correa, ist mit 52 Abgeordneten die stärkste politische Kraft. Luisa González, die besiegte Kandidatin des Correismo, die ein Wahlergebnis von 48,17 Prozent erreichte, hat die Zusammenarbeit angeboten, jedoch sind ihre Vorschläge so gegensätzlich, dass eine Einigkeit im Parlament nur schwer vorzustellen ist.

Außerordentliche Wahlen

Um einer möglichen Amtsenthebung zu entgehen, hat Staatspräsident Guillermo Lasso am 17. Mai verfassungsgemäß das ecuadorianische Parlament aufgelöst und zu Neuwahlen aufgerufen, die sogenannte „Muerte Cruzada“ (gegenseitiger Tod). In weniger als drei Monaten fanden die außerordentlichen Wahlen statt. Am 20. August 2023 standen acht Kandidaten für das Präsidentenamt zur Wahl, es wurden 137 Abgeordnete für die ecuadorianische Nationalversammlung gewählt und eine Volksbefragung über die Erdölförderung im Nationalpark Yasuní wurde durchgeführt.

Da bei der Präsidentschaftswahl keiner der Kandidaten die Mehrheit erlangte, kam es im Oktober zur Stichwahl zwischen Luisa González (über 33%) und Daniel Noboa (über 23%).

Der Urnengang verlief in Colegio Nuevo Mundo auch ohne Zwischenfälle ab.

Der Urnengang verlief in Colegio Nuevo Mundo auch ohne Zwischenfälle ab.

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Die Kandidaten in den sozialen Medien

Während des Wahlkampfes setzten beide Kandidaten sehr viel auf Social Media. Vor dem Hintergrund, dass in Ecuador 40 Prozent der Wählerschaft junge Wähler sind, war dies eine ideale Kommunikationsplattform. Diese konnte auch nach den politischen Attentaten gut genutzt werden. Gustavo Amagua, Politologe und Altstipendiant der HSS, hat die Nutzung der sozialen Netzwerke durch die Kandidaten verfolgt: „Luisa González hat im Vergleich zur ersten Runde ihre Kommunikationsstrategie geändert. Dieses Mal verzichtete sie auf viele konfrontative Veröffentlichungen, die mit der allgegenwärtigen Figur des ehemaligen Präsidenten Rafael Correa verbunden waren, und nahm eine proaktivere und ruhigere Position ein, um junge Stimmen auf Netzwerken wie Instagram, Facebook und Tik Tok zu gewinnen.“ González hatte in der zweiten Wahlrunde keine Trends setzen können. Anders Daniel Noboa, der mit der Unterstützung seiner Ehefrau, einer bekannten und erfolgreichen Influencerin, Challenges (Herausforderungen) viral machte. Laut Amagua führten diese Challenges zu einer stärkeren Interaktion mit der Wählerschaft auch außerhalb der digitalen Welt. Noboa mit einer starken Präsenz in den Sozialen Medien wie Facebook, Instagram und Tik Tok, wo er viele Videos zu seinem Privatleben teilte, nutzte jedoch die Plattform X (früher Twitter) sehr wenig. Auf diese Weise vermied er politische Konfrontationen, während Luisa González auf dieser Plattform die Interaktion mit anderen politischen Persönlichkeiten suchte und politische Diskussionen auslöste.

Durch die Distanzierung Noboas zu öffentlichen konfrontativen politischen Themen konnte er die Wahlen gewinnen. Die politikverdrossene Gesellschaft sah darin einen Schlichter, der ohne Konfrontation regieren könne. Mit der Botschaft der politischen Erneuerung und als Outsider empfunden, verkörpert der 35-jährige Daniel Noboa, nun jüngster Präsident Ecuadors, eine neue Art des Regierens. Er ist die Hoffnung auf eine Rückkehr zur politischen Stabilität.

Daniel Noboa

Der 35-jährige Unternehmer begann seine politische Karriere in 2021 als Abgeordneter. Der Sohn des Bananenmagnaten Álvaro Noboa, Geschäftsmann und fünfmaliger Präsidentschaftskandidat, leitet ein politisches Bündnis zwischen der Volksbewegung (Movimiento Pueblo) Gleichheit und Demokratie (Igualdad y Democracia) und der Partei Mover, welche sich für diese Wahlen zusammengefunden hat. Obwohl er als Mitte-Rechts-Politiker gilt, will er sich nicht etikettieren lassen und bezeichnet sich selbst als Verteidiger der Freiheit. Dies bedeutet für ihn Freiheit für Unternehmen und Wirtschaftsliberalismus.

Luisa González

Die einzige Frau im Rennen der Präsidentschaft des Wahlzyklus 2023 ist Parteimitglied der „Bürgerrevolution“ (Revolución Ciudadana -RC-), der politischen Bewegung des im Exil lebenden ehemaligen Präsidenten Rafael Correa. Luisa González blickt auf eine lange politische Karriere zurück und bekleidete unter der Regierung Correas verschiedene politische Ämter, u.a. war sie Vizeministerin für Arbeit.

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Projektleitung: Valeria Mouzas
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