Print logo

60. Todestag
Der Mythos Kennedy

Autor: Andreas von Delhaes-Guenther

Er war ein charismatischer Menschenfänger, ein begabter Politiker, ein begeisternder Redner, ein profilierter Antikommunist – und ein Schürzenjäger: John Fitzgerald Kennedy, kurz „JFK“, US-Präsident von Januar 1961 bis 1963. Vor 60 Jahren wurde er durch ein Attentat ermordet.

John F. Kennedy, Präsident der USA (1961-1963); Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler (1949-1963) und Willy Brandt, vierter Bundeskanzler (1969-1974), reisen in der Präsidentenlimousine durch Berlin. Während des Besuchs von JFK in der Bundesrepublik Deutschland am 26. Juni 1963 jubelt ihnen die Menge zu.

John F. Kennedy, Präsident der USA (1961-1963); Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler (1949-1963) und Willy Brandt, vierter Bundeskanzler (1969-1974), reisen in der Präsidentenlimousine durch Berlin. Während des Besuchs von JFK in der Bundesrepublik Deutschland am 26. Juni 1963 jubelt ihnen die Menge zu.

United Archives International; HSS; IMAGO

Mit nur 43 Jahren wurde Kennedy 1960 zum damals jüngsten gewählten US-Präsidenten (Theodore Roosevelt ersetzte1901 mit 42 Jahren als Vizepräsident den ermordeten Präsidenten McKinley) und in atemberaubenden Tempo zum Hoffnungsträger. Mit seiner Frau und Mode-Ikone Jackie Kennedy erlangten sie fast das Image von Popstars. Berühmt wurde ein Satz aus JFKs Antrittsrede: „Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt.“

Die Welt in der Krise

Mit Kennedy verbunden wird der „Wettlauf zum Mond“, den die USA 1969 gewannen. Doch gab es in dieser Zeit auch umwälzende politische Ereignisse: Der beginnende Vietnamkrieg, die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung unter der Führung von Martin Luther King, die US-gestützte Invasion in der Schweinebucht auf Kuba 1961 und die 1962 folgende Kuba-Krise. Mit einer "Friedensrede" an der American University in Washington kündigte der US-Präsident 1963 erstmals eine Entspannungspolitik an: "Denn letztlich bildet die Tatsache, dass wir alle Bewohner dieses kleinen Planeten sind, das uns im tiefsten gemeinsame Band. Wir alle atmen die gleiche Luft. Uns allen liegt die Zukunft unserer Kinder am Herzen. Und wir sind alle sterblich."

Am 26. Juni 1963, Berlin, Deutschland: Der US-Präsident John F. Kennedy steht vor dem Rathaus von Berlin-Schöneberg, wo er eine Botschaft der Hoffnung an die West-Berliner ausspricht. Die Rede ist bekannt für ihren berühmten Satz "Ich bin ein Berliner" und gilt als eine der besten von Kennedy, als ein bedeutender Teil des Kalten Krieges.

Am 26. Juni 1963, Berlin, Deutschland: Der US-Präsident John F. Kennedy steht vor dem Rathaus von Berlin-Schöneberg, wo er eine Botschaft der Hoffnung an die West-Berliner ausspricht. Die Rede ist bekannt für ihren berühmten Satz "Ich bin ein Berliner" und gilt als eine der besten von Kennedy, als ein bedeutender Teil des Kalten Krieges.

ZUMA Wire; HSS; IMAGO

Deutschland im Blick

In den August 1961 fiel der Bau der Berliner Mauer, der zugleich alle sowjetischen Forderungen nach ganz Berlin beendete. JFK war deshalb intern durchaus erleichtert. "Die Mauer ist keine sehr schöne Lösung", sagte der US-Präsident zu seinen Mitarbeitern, "aber sie ist immerhin besser als Krieg". An Weihnachten 1961 richtete er sich direkt an die Stadt: "Die Weihnachtslichter des freien Berlin werfen einen Schein, der tief eindringt in die Dunkelheit, die sie umgibt. Keine Mauer kann dieses Licht abhalten."

Erst zwei Jahre später besuchte Kennedy die Bundesrepublik vom 23. bis 26. Juni 1963, am letzten Tag Berlin. Auf dem Weg durch die nun ummauerte Stadt jubelten ihm fast zwei Millionen Berliner begeistert zu. Am Schöneberger Rathaus hielt JFK seine Rede, deren vier letzte Worte auf Deutsch in die Geschichte eingingen: "Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger Berlins. Und deshalb bin ich als freier Mensch stolz darauf, sagen zu können: ‚Ich bin ein Berliner‘!" In einer weiteren Rede an der Freien Universität Berlin sagte er aber auch weitsichtig, dass man dem „Wettrüsten ein Ende“ machen und der Westen allein durch die „stetig wachsende Anziehungskraft“ der Freiheit gewinnen müsse – dann werde auch die Wiedervereinigung „eines Tages Wirklichkeit“.

Die Stasi verhängte das Brandenburger Tor als „Sichtschutz“ und richtete eine 100 Meter breite Sperrzone auf der Ostseite der Mauer ein. Vorkommnisse wurden streng gemeldet: "Gegen 11:30 Uhr wurde im Institut für Post- und Fernmeldewesen (…) in der Herrentoilette im  5. Stock eine Hetzlosung ‚Herzliche Willkommensgrüße dem USA-Präsidenten Kennedy‘ mit einem schwarzen Stift geschmiert". Zudem wurde ein Gegenbesuch des sowjetischen Staatschefs Nikita Chruschtschow am 30. Juni 1963 in Ostberlin organisiert.

Es war nicht Kennedys erster Deutschlandbesuch: 1937 fuhr er anlässlich eines dreimonatigen Europatrips als junger Harvard-Student durch das Land, darunter auch Bayern - dabei versuchte er vergeblich, Maßkrüge aus dem Hofbräuhaus zu stehlen, stritt sich mit SA-Leuten und kaufte in Nürnberg einen Dackel. Mitte August 1939 sammelte er als Beauftragter seines Vaters, der Botschafter in London war, Informationen. 1945 kehrte Kennedy  während der Potsdamer Konferenz als Reporter zurück. Hochaktuell war das Thema seiner Abschlussarbeit 1940, die er später als Beststeller veröffentlichte: "Appeasement in München: Das zwangsläufige Ergebnis der Langsamkeit der britischen Demokratie bei der Abkehr von einer Politik der Abrüstung.

Drei Schüsse

Nach nur rund 1.000 Tagen endete die Ära Kennedy mit dem Attentat im texanischen Dallas am 22. November 1963. Zwei Schüsse auf die offene Präsidentenlimousine treffen JFK, ein weiterer geht fehl. Als angeblicher Einzeltäter wird Lee Harvey Oswald verhaftet, der zwei Tage danach vom Nachtclub-Besitzer Jack Ruby im Staatsgefängnis von Dallas erschossen wird. Die Umstände des Attentats sind bis heute nicht geklärt, trotz weiterer 2017 und 2020 freigegebener Akten. Verdächtigt wurde die Sowjetunion, weil Oswald überzeugter Marxist und Castro-Anhänger war und 1959 bis 1962 in Russland lebte. Aber auch CIA, FBI, Secret Service, Mafia, Rassisten aus dem US-Süden, Exil-Kubaner und Fidel Castro wurden immer wieder genannt.

Dallas, Texas, 22. November 1963: Das Attentat auf John F. Kennedy, den Präsidenten der USA.

Dallas, Texas, 22. November 1963: Das Attentat auf John F. Kennedy, den Präsidenten der USA.

TT; HSS; IMAGO

Fluch und Mythos

Zehntausende Berliner versammelten sich in der Todesnacht auf dem Platz vor dem Schöneberger Rathaus in Berlin, später in "John-F.-Kennedy-Platz" umbenannt. Die Stasi meldete in der DDR „brennende Kerzen“ und Gedenkminuten an Schulen, wo Schüler eigenmächtig DDR-Fahnen auf Halbmast hängten.

Die Familie Kennedy verschwand nie ganz aus der amerikanischen Politik und wegen vieler Tragödien und Skandale auch nicht aus der Presse („Kennedy-Fluch“). Auch Johns Bruder Robert fiel als Präsidentschaftskandidat einem Attentat zum Opfer. „Der Mythos ist sehr oft der Feind der Wahrheit“, sagte John F. Kennedy 1962. Aber sein Mythos bleibt: Laut einer Umfrage im Jahr 2003 wird Kennedy von den US-Amerikanern als größter US-Präsident neben Abraham Lincoln betrachtet – der auch ermordet wurde.

Kontakt

Redakteur: Andreas von Delhaes-Guenther
Publikationen
Redakteur
Telefon: