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Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo
Zwischen Hoffnung und Gleichgültigkeit

Félix Tshisekedi hat nur eine magere Bilanz vorzuweisen. Trotzdem will er seine Regierung fortsetzen. Die Aufgaben sind gewaltig: Die neue Regierung muss den Osten des Landes befrieden, Infrastruktur ausbauen und sanieren und mehr soziale Absicherung schaffen. Viele tausend neue Kandidaten bewerben sich um die 500 Plätze im Parlament. Erneuert sich die politische Klasse des Landes?

Wenige Tage vor den Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo sind die Straßen der Hauptstadt Kinshasa noch belebter als sonst. Passanten werden durch die zahlreichen Wahlplakate der Kandidaten für das Amt des Präsidenten, die erste Parlamentskammer sowie 26 Provinzparlamente und Stadträte aufgerufen, wählen zu gehen. Lokale Partner der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) im Kongo informieren ihrerseits die Bevölkerung über die Notwendigkeit ihr demokratisches Recht auszuüben.

Félix Tshisekedi bewirbt sich um eine zweite Amtszeit. Erfolge hat er allerdings nur wenige vorzuweisen.

Félix Tshisekedi bewirbt sich um eine zweite Amtszeit. Erfolge hat er allerdings nur wenige vorzuweisen.

Eine niedrige Wahlbeteiligung ist zu erwarten

Auf den ersten Blick ist das Interesse an den Wahlen enorm: 44 Millionen Kongolesen haben sich auf den Wählerlisten registriert, das entspricht einem Anteil von 97 Prozent aller Wahlberechtigten. Doch in Wahrheit ist die Begeisterung zu wählen seit dem ersten Urnengang 2006 zurückgegangen, denn die Enttäuschung über die politische Klasse des Landes ist groß. Viele Kongolesen haben sich in erster Linie für die Wahlen registriert, weil der ausgestellte Wählerausweis das einzige Ausweisdokument ist, das verhältnismäßig einfach und kostengünstig zu erhalten ist. Denn warum sollte man wählen gehen, wenn es keine wirkliche Aussicht auf eine Verbesserung gibt? Die HSS befasst sich mit diesen Fragen im Rahmen ihrer politischen Bildungsarbeit, um die politische Teilhabe in der Bevölkerung zu erhöhen.

Der Präsident weist eine magere Bilanz vor

Die Herausforderung für den zur Wiederwahl antretenden Félix Tshisekedi ist, die Bevölkerung davon zu überzeugen, ihm für weitere fünf Jahre zu vertrauen. Seine Argumentation: er braucht ein zweites Mandat um seine Agenda zur Verbesserung der Sicherheitslage, der sozialen Vorsorge und dem Ausbau der Infrastruktur zu vollenden. Seine Bilanz ist eher ambivalent. Die Initiativen für kostenlose Grundschulbildung sowie kostenlose Mutterschaftsvorsorge, die ein erster Schritt hin zu einer allgemeinen Gesundheitsversorgung sein soll, haben das Potenzial, das Leben von Millionen Kongolesen zu verbessern. In den Bereichen Infrastruktur und Sicherheit wurden die gesetzten Ziele jedoch nicht erreicht.

Moise Katumbi, Milliardär, Fußballclubeigentümer und Ex-Gouverneur der Bergbauregion Katanga ist der Gegenkandidat mit den besten Chancen.

Moise Katumbi, Milliardär, Fußballclubeigentümer und Ex-Gouverneur der Bergbauregion Katanga ist der Gegenkandidat mit den besten Chancen.

Zivilgesellschaftliche Vertreter beklagen weiterhin die mangelhafte Straßeninfrastruktur. Die Sicherheitslage hat sich seit seinem Amtsantritt im Osten des Landes verschlechtert, wo Rebellengruppen weiterhin gegen das kongolesische Militär um Territorium kämpfen. Die Zahl der Binnenflüchtlinge ist mit sieben millionen Menschen auf ein Rekordhoch gestiegen. Aufgrund der Sicherheitslage werden die Binnenvertriebene sowie die Bevölkerung in den Territorien Rutshuru und Masisi im Osten des Landes nicht an den Wahlen teilnehmen können.

Keine Einigkeit unter den Hoffnungsträgern der Opposition

Unter den Oppositionskandidaten ist Moise Katumbi, Milliardär, Fußballclubeigentümer und Ex-Gouverneur der Bergbauregion Katanga im Südosten des Landes, der Mann, der Tshisekedi am ehesten gefährlich werden kann. Er genießt die Unterstützung von vier Präsidentschaftskandidaten, die auf ihre Kandidatur zu seinen Gunsten verzichtet haben. Seit Beginn des Wahlkampfs wurde er in vielen Provinzen mit Begeisterung empfangen, was die Zweifel an seiner Popularität außerhalb seiner Heimatprovinz mindert.

Denis Mukwege, ein Gynäkologe, der 2018 für seinen Einsatz für Vergewaltigungsopfer im Ostkongo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, führt eine eher zurückhaltende Kampagne. Er tritt ohne eigene Partei an und dürfte es schwer haben, Wähler zu mobilisieren. Martin Fayulu, nach Meinung unabhängiger Wahlbeobachter der eigentliche Gewinner der Wahl von 2018, tritt ebenfalls an, obwohl er zunächst einen Wahlboykott für seine Partei ankündigte, um sich später umzuentscheiden. Verhandlungen, einen gemeinsamen Oppositionskandidaten zu ernennen, sind gescheitert, wie zuletzt 2018. Die Stimmen für die Opposition werden sich bei nur einem Wahlgang – eine anschließende Stichwahl ist nicht vorgesehen – also auf 25 Kandidaten verteilen. Dies erleichtert es dem Amtsinhaber eine relative Mehrheit zu erlangen, die zur Wiederwahl ausreichen würde.

Die Versprechen der meisten Kandidaten ähneln sich stark. Es wird eine niedrige Wahlbeteiligung erwartet.

Die Versprechen der meisten Kandidaten ähneln sich stark. Es wird eine niedrige Wahlbeteiligung erwartet.

Wirtschaftliche Chancen bleiben ungenutzt

Schließlich ähneln sich die Wahlversprechen der Kandidaten. Neben der Wiederherstellung von Frieden im Ostkongo, ein Gebiet, in dem seit über zwanzig Jahren Bürgerkrieg herrscht, versprechen alle Präsidentschaftskandidaten Infrastrukturprojekte und die Ankurbelung der Wirtschaft. In dem Land mit der sechsfachen Fläche Deutschlands sind die Potenziale groß und bleiben bislang ungenutzt.

Der Kongo ist für die globale Entwicklung hinsichtlich der Klimapolitik, der grünen Energiewende und der allgemeinen technologischen Entwicklung unverzichtbar. Das Land beherbergt den zweitgrößten Regenwald nach dem Amazonasgebiet und viele strategisch wichtige mineralische Ressourcen. Neben vielen anderen seltenen Metallen finden sich im Kongo rund 70 Prozent der weltweiten Kobaltvorkommen - ein Metall, das für die Batterieproduktion moderner Elektroautos entscheidend ist. Es bleibt jedoch fraglich, ob die Regierung des seit 1960 unabhängigen Kongo diesmal ihren strategischen Vorteil zum Wohle der Bevölkerung nutzen wird.

Das erklärt die Nonchalance der Bevölkerung gegenüber den Wahlen, da sie sich des Potenzials ihres Landes genauso bewusst ist, wie auch der egozentrischen Einstellung ihrer bisherigen Regierungsführer. Gleichzeitig bewerben sich rund 25.000 Kandidaten um die 500 Sitze für die erste Parlamentskammer. Dies ist ein Rekord und spricht dafür, dass eine neue politische Klasse entstehen könnte.

Lieber selbst kandidieren

Die Bemühungen der Zivilgesellschaft, politische Beteiligung zu fördern, tragen Früchte. Eine zentrale Aufgabe der HSS im Kongo ist es, die Beteiligung der Bürger an politischen Prozessen zu fördern. Lokale Partner der Stiftung schaffen ebenfalls ein Bewusstsein in der Bevölkerung, sich auf allen politischen Ebenen und Institutionen zu beteiligen. So kandidieren über 200 Kongolesinnen und Kongolesen, die Schulungsprogramme der HSS durchlaufen haben, auf allen drei Parlamentsebenen.

Die Enttäuschung über die Politiker veranlasst die Menschen, die Politik selbst in die Hand zu nehmen. Sie ziehen es vor, selbst zu kandidieren, anstatt für die immer gleiche politische Klasse zu stimmen. So können sie sich als neu gewählte Vertreter des Volkes Gehör verschaffen.

Autorin: Benita Pungwe, HSS

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Afrika südlich der Sahara
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