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Gesunder Lebensstil - Experteninterview
Was essen wir im Jahr 2100?

Womit ernähren wir uns in Zukunft? Kann der Hunger bis 2030 weltweit besiegt werden? Wie nachhaltig sind unsere Lebensmittel? Am Rande der Konferenz Fachforum ABC "Ernährung der Zukunft - Was essen wir im Jahr 2100?" interviewten wir Prof. Dr. Bernhard Watzl, Institutsleiter für Physiologie und Biochemie der Ernährung des Max Rubner-Instituts.

Abends essen macht dick, Fruchtsäfte sind gesund, Mineralwasser ist besser als Leitungswasser – es gibt zahlreiche Ernährungsmythen, die Prof. Dr. Bernhard Watzl widerlegen kann. Beim diesjährigen Online-Fachforum ABC „Ernährung der Zukunft - Was essen wir im Jahr 2100?“ sprach der Institutsleiter für Physiologie und Biochemie der Ernährung des Max Rubner-Instituts zum Thema gesunde Ernährung. Im HSS-Interview erklärt Prof. Dr. Watzl, warum Ernährung ein entscheidender Faktor für unsere Gesundheit ist, was eine gesunde Ernährung ausmacht und wie die Ernährung der Zukunft aussehen könnte.

Zur Information

ABC-Fachforum 2021
Interdisziplinär wurde aus verschiedenen Blickwinkeln während des Online-Fachforums ABC „Ernährung der Zukunft - Was essen wir im Jahr 2100?“  Anfang März untersucht, wie der Hunger in der Welt besiegt werden und wie sich die Lebensmittelproduktion verändern wird. Die Entwicklung neuer Lebensmittel stand ebenso im Fokus wie deren Nachhaltigkeit und Qualität.

HSS: Prof. Dr. Watzl, um das Risiko für chronische Erkrankungen wie Diabetes, Krebs, Schlaganfall und kardiovaskuläre Erkrankungen zu reduzieren, gelten vier verschiedene Lebensstilfaktoren als besonders entscheidend. Welche sind das?

Prof. Dr. Bernhard Watzl: Dazu zählt das Nicht-Rauchen, ein bestimmtes Ausmaß an körperlicher Aktivität, kein krankhaftes Übergewicht sowie eine gesunde Ernährung.

HSS: Warum ist eine gesunde Ernährung wichtig?

Prof. Dr. Bernhard Watzl: Ernährung ist eine Grundvoraussetzung für die Gesundheit und wirkt auf zwei Ebenen. Ernährung muss uns mit lebensnotwendigen Nährstoffen versorgen. In der Regel schaffen wir das in den westlichen Ländern der Welt, weil wir genügend Einkommen für den Kauf von ernährungsphysiologisch hochwertigen Lebensmitteln haben. Deshalb sind die Menschen in Deutschland in der Regel ausreichend mit den meisten Nährstoffen versorgt. Die zweite Ebene betrifft die Ernährung in Bezug auf die Prävention ernährungsmitbedingter Erkrankungen. Laut einer aktuellen Studie sind weltweit 22 Prozent aller Todesfälle auf Fehlernährung zurückzuführen. Ernährung ist damit die Todesursache Nummer eins.

HSS: Welche Lebensmittel essen wir zu viel und welche zu wenig?

Prof. Dr. Bernhard Watzl: Wir essen zu wenig pflanzliche und zu viel tierische Lebensmittel. Konkret heißt das zu wenig Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Nüsse, und zu viel Fleisch und Wurst.

Prof. Dr. oec. troph. habil. Bernhard Watzl, Direktor und Professor am Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, Karlsruhe, Leiter des Instituts für Physiologie und Biochemie der Ernährung. Seit 2009 außerplanmäßiger Professor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Seit 2007 ist er Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und aktuell deren Vize-Präsident.

Prof. Dr. oec. troph. habil. Bernhard Watzl, Direktor und Professor am Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, Karlsruhe, Leiter des Instituts für Physiologie und Biochemie der Ernährung. Seit 2009 außerplanmäßiger Professor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Seit 2007 ist er Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und aktuell deren Vize-Präsident.

© Max Rubner-Institut

HSS: Welche Auswirkung hat der zu hohe Konsum von Fleischerzeugnissen und Wurst?

Prof. Dr. Bernhard Watzl: Fleisch zu essen hat in unserer Kultur eine Tradition. Ich kann viele Gründe anführen, die verdeutlichen, weshalb Fleisch eine ernährungsphysiologisch hochwertige Nährstoffquelle ist: z. B.  für Proteine, wasserlösliche Vitamine und Spurenelemente wie Eisen und Zink. Gleichzeitig liefern Fleischerzeugnisse und Wurst unerwünschte Stoffe wie Pökelsalze, Salz und gesättigte Fettsäuren. Neben dem Aspekt der Gesundheit sind die Auswirkungen der Fleischproduktion auf die Umwelt zu beachten und bei Ernährungsempfehlungen zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung beider Aspekte gibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung eine Empfehlung für die Zufuhr von Fleisch aus, die von einem kompletten Verzicht auf Fleisch und Wurst bis zu einer maximalen Zufuhr von 600 Gramm pro Woche reicht. Der durchschnittliche Fleisch- und Wurstverzehr liegt etwa doppelt so hoch, mit nachteiligen Folgen für Gesundheit und Umwelt.

Bei dem Lebensmittelangebot, das heutzutage in Deutschland herrscht, sind wir für eine ausreichende Nährstoffzufuhr nicht auf den Verzehr von Fleisch angewiesen. Die Nährstoffe, die dem Körper durch den Verzicht auf Steak & Co. fehlen, können durch Milchprodukte, Eier und Fisch ersetzt werden. Einzig einen Mangel an Vitamin B12 müssen Veganer fürchten, weil es in Pflanzen nicht vorhanden ist.

HSS: Vollwertig essen und trinken hält gesund, fördert Leistung und Wohlbefinden. Wie sich das umsetzen lässt, hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung in 10 Regeln formuliert. Eine davon empfiehlt den Verzehr von drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst. Welche Inhaltsstoffe sind in diesen Lebensmitteln vorhanden?

Prof. Dr. Bernhard Watzl: Gemüse und Obst stellen mit die wichtigste Lebensmittelgruppe für uns dar. Sie liefern nicht nur Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe, sondern auch sekundäre Pflanzenstoffe. Diese Stoffe sind verantwortlich dafür, weshalb wir Erdbeeren, Äpfel oder Tomaten so gerne essen, d. h. den Geschmack. Darüber hinaus greifen sie in den Stoffwechsel des Menschen ein und vermitteln die gesundheitsförderliche Wirkung von Gemüse und Obst.

HSS: Wir beschäftigen uns täglich mit der nächsten Mahlzeit. Meistens soll es schnell gehen und wenig kosten. Wie könnte die Ernährung der Zukunft aussehen?

Prof. Dr. Bernhard Watzl: Die Ernährung der Zukunft wird mehr pflanzliche Lebensmittel beinhalten als derzeit üblich. Die wachsende Weltbevölkerung und die Umweltauswirkungen der Produktion tierischer Lebensmittel sind hierfür Bestimmungsfaktoren. Zudem wird sich das Spektrum der Proteinquellen erweitern. Algen, Insekten, innovative Produkte auf der Basis von Hülsenfruchtproteinen, Pilzproteine, Fermentationsanlagen zur Erzeugung von Milch- und Fleischproteinen, etc. 

 

Sehr geehrter Prof. Dr. Watzl, vielen Dank für dieses Interview!

Das Interview führte Sofie Flurschütz, Stipendiatin der HSS.

Kontakt

Universitätsförderung MINT und Medizin
Isabel Küfer, M.A.
Leiterin
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