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Einblicke in die Europapolitik bei einer Promotionsfachtagung in Brüssel
Europa unter Druck

Einen spannenden Blick hinter die Kulissen des europapolitischen Betriebes bekamen unsere Stipendiatinnen und Stipendiaten in Brüssel nicht nur vom HSS-Vorsitzenden Markus Ferber, MdEP.

Die Europäische Union (EU) steht vor den größten Herausforderungen seit ihrer Gründung: der Klimawandel, der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, ein zunehmend imperialistisch agierendes China, Flüchtlingsbewegungen aus Afrika und die seit der Ära Trump angeschlagenen transatlantischen Beziehungen.

Der Grand-Place bzw. dem Grote Markt mit dem Rathaus im gotischen Stil gilt als einer der schönesten Plätze in ganz Europa.

Der Grand-Place bzw. dem Grote Markt mit dem Rathaus im gotischen Stil gilt als einer der schönesten Plätze in ganz Europa.

Meike May, HSS; Andreas Lederer; ©HSS

Kultur und erste Kontakte

Unter diesen Umständen entwickelt sich die Europapolitik für uns Europäer zunehmend zu einem existentiellen Faktor, da der Kurs, den Europa jetzt einschlägt, besonders das Leben der jüngeren Generationen entscheidend prägen wird. Um die Entscheidungsprozesse der Europapolitik einmal hautnah erleben zu können, haben einige unserer Promotionsstipendiatinnen und -stipendiaten vier Tage in Brüssel verbracht und dort mit Politikern, Journalisten und Wissenschaftlern diskutiert.

Der Besuch in Brüssel begann mit einem dreistündigen geführten Stadtrundgang, der die wichtigsten kulturellen und historischen Sehenswürdigkeiten der europäischen Hauptstadt umfasste. Dabei ist uns besonders der prunkvolle Grand-Place bzw. Grote Markt, der zentrale Platz in Brüssel, in Erinnerung geblieben, der mit dem Rathaus im gotischen Stil und der geschlossenen barocken Fassadenfront als einer der schönsten Plätze Europas gilt. Im Rahmen der Vorbereitungen für das 200-jährige Bestehen Belgiens im Jahr 2030 waren jedoch leider viele beeindruckenden Bauwerke wie etwa der Justiz-Palast wegen Renovierungsarbeiten verhüllt. Abgerundet wurde der erste Tag von einem gemeinsamen Abendessen, bei welchem wir die Möglichkeit hatten, mit zwei Mitarbeitenden des europäischen Parlaments, Carmen Pölsler und Kevin Bayer, ins Gespräch zu kommen.

Zentral für diese Herausforderung ist für Ferber die aktuelle wirtschaftliche Abhängikeit europäischer Unternehmen vom chinesischen Markt, ganz besonders deutsche.

Zentral für diese Herausforderung ist für Ferber die aktuelle wirtschaftliche Abhängikeit europäischer Unternehmen vom chinesischen Markt, ganz besonders deutsche.

Meike May, HSS; Andreas Lederer; ©HSS

Bei Markus Ferber, MdEP

Unseren zweiten Tag in Brüssel starteten wir mit einem gemütlichen „Brezen-Frühstück“ im Europa-Büro der Hanns-Seidel-Stfitung. Im Anschluss trafen wir Dr. Peter Hefele, den Policy Director des Wilfried Martens Centre for European Studies, zu einer Diskussion über das Thema „Europa – Zwischen den Machtpolen China und den USA“. Zentral war dabei die Frage, ob Europa in der Lage ist, autonom und ohne die Hilfe von Dritten zu agieren. Um dies zu gewährleisten, sollte es gemäß Hefele das langfristige Ziel der EU sein, mehr Resilienz in Handel und Sicherheit zu entwickeln. In puncto Sicherheit stellte er fest:

„Europa hat nach den USA und China die höchsten Sicherheitsausgaben. Wir müssten daher eigentlich deutlich besser dastehen, aber da jedes Land seine eigene Sicherheitspolitk macht, tun wir das nicht.“

Nach einem kurzen Mittagessen besuchten wir dann das Europäische Parlament. Dort wurden wir herzlichst vom Vorsitzenden der Hanns-Seidel-Stiftung, Markus Ferber, MdEP, in Empfang genommen. Unser Gespräch mit Ferber drehte sich um Europas Wirtschaft im geopolitischen Wettbewerb und besonders um die Frage, wie in diesem Zusammenhang Europas Resilienz verbessert werden könne.

Welche Herausforderungen stellt die Europawahl 2024 an die EVP-Parteienfamilie?

Welche Herausforderungen stellt die Europawahl 2024 an die EVP-Parteienfamilie?

Meike May, HSS; Andreas Lederer; ©HSS

An der Seite Amerikas

Besonders spannend wurde die Diskussion, als wir auf den China-Taiwan-Konflikt zu sprechen kamen. „Wir sind in einer schwierigen Zeit“, so Ferber. „Eines der größten europäischen Probleme ist die Tatsache, dass wir aktuell unseren Wohlstand ohne China nicht halten können! Wenn China Taiwan angreifen sollte, wissen wir alle, was wir zu tun haben. Die entsprechenden Maßnahmen werden uns jedoch, anders als die Russlandsanktionen, wirtschaftlich zerreißen.“ Ferber ist überzeugt, dass Europas Platz an der Seite von Amerika ist. „Jeder andere Gedanke ist töricht, da nur die Amerikaner unsere Sicherheit und Freiheit garantieren.“

Unser nächster Gesprächspartner war der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident David McAllister, MdEP, der sich die Zeit nahm, uns Einblicke in seine Arbeit zu gewähren. Damit wechselten wir thematisch von der internationalen Wirtschaftspolitik zur Außen- und Sicherheitspolitik Europas. McAllister ist Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten und übt maßgeblichen Einfluss auf die europäische Außenpolitik aus. Im Wesentlichen haben wir im Gespräch ihm die vier wichtigsten Arbeitsstränge der europäischen Außenpolitik behandelt: die klassische Außenpolitik, den Außenhandel, die Entwicklung und die Erweiterung der EU. McAllister hat dabei die europäische Außenpolitik in zwei Sätzen sehr schön auf den Punkt gebracht: „Europa ist sicherheitspolitisch ein Wurm, außenpolitisch ein Zwerg, aber wirtschaftspolitisch ein Rieße. Es gilt daher, unsere Defizite endlich zu beheben und unsere wirtschaftliche Stellung zu verteidigen und zu stärken.“

Unsere Promotionsstipendiaten vor dem neuen NATO-Hauptquartier. In der Mitte: Dr. Andreas Burtscheidt, HSS-Referatsleiter der Promotionsförderung

Meike May, HSS; Andreas Lederer; ©HSS

Im NATO-Hauptquartier

Einen gelungenen Abschluss unseres zweiten Tages in Brüssel stellte ein Besuch der Bayerischen Landesvertretung dar. Dort nahmen wir an einer Podiumsdiskussion zum Thema „Wie generationengerecht ist die Europapolitik?“ teil, die von der Hanns-Seidel-Stiftung zusammen mit der Bayerischen EliteAkademie organisiert wurde. Zu Gast war neben drei Abgeordneten des Europäischen Parlaments, Christian Doleschal, MdEP und Vorsitzender der JU-Bayern, Moritz Körner, MdEP, und Malte Gallée, dem aktuell jüngsten Mitglied des Europapalaments (geb. 1993), auch unsere Promotionsstipendiatin Johanna Serban.

An unserem dritten Tag in Brüssel gab es ein besonderes Highlight, nämlich einen Besuch bei der NATO. Dank der Einladung unseres Altstipendiaten Dr. Florian Schreiner konnten wir das 2002 erbaute NATO-Hauptquartier besichtigen. Dort sind wir sogar NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg begegnet. Natürlich war unser Guide für den Besuch aber nicht Stoltenberg, sondern Nicholas Nguyen, Head of Public Disclosure Unit, der spannendes Hintergrundwissen über die Geschichte der NATO hatte. Über das Tagesgeschäft der NATO informierte uns im Anschluss Oberstleutnant Bartels. Er gab uns einen Überblick über die Strukturen der NATO und die Verteidigungsausgaben im Detail. Schließlich besuchten wir noch das Büro der Europäischen Volkspartei (EVP), deren Entstehungsgeschichte und Strukturen uns von Patrick Voller nähergebracht wurden.

Am Ende der diesjährigen Promotionsfachtagung zogen alle Teilnehmer ein rundum positives Resümee. Die Gesprächsrunden und Diskussionen wurden von allen als hochinteressant und äußerst lehrreich geschätzt. Zudem blieb stets genug Zeit für den privaten und wissenschaftlichen Austausch, der einer der wichtigsten Aspekte für die Stipendiatinnen und Stipendiaten der Hanns-Seidel-Stiftung ist.

Autor: Markus Freiberger, HSS-Promotionsstipendiat, Friedrich-Alexander Universität, Erlangen